Anwohner beklagen Polizeigewalt: Tumulte in Altona

In der Holstenstraße rücken 100 Polizisten an und nehmen 16 junge Männer fest. 150 Anwohner ergreifen Partei für die Jugendlichen.

Nach schweren Tumulten in Altona: Jugendliche und Polizisten vis-à-vis. Bild: utopieTV

HAMBURG taz | Am späten Donnerstagabend ist es in der Holstenstraße in Altonas zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Jugendlichen gekommen. Die Polizei setzte rund 100 Beamte ein und nahm 16 Personen im Alter zwischen 17 und 26 Jahren wegen Widerstands und Landfriedensbruchs fest.

Ausgangpunkt der Auseinandersetzung war der Imbiss „Azra“, wo sich seit Beginn der Schulferien verstärkt Jugendliche aus der Umgebung treffen. „Wir haben Schulferien, es gibt keinen Jugendtreff und das Schanzenviertel ist Gefahrengebiet – wo sollen wir denn sonst hin“, sagt ein 20-Jähriger. Anwohner berichten, dass die Polizei seit vier Tagen besonders starke Präsenz zeige und nicht mehr wie üblich zu zweit, sondern zu fünft auf Streife gehe.

Laut Polizeisprecher Holger Vehren hat es um den Imbiss herum vermehrt Straftaten gegeben. „Das ist eine Entwicklung, die schon seit Langem läuft“, sagt Vehren. Alle Maßnahmen des Jugendschutzes seien ins Leere gelaufen. Den Einsatz am Donnerstag begründet die Polizei damit, dass Autofahrer mit einem Laserpointer geblendet worden seien.

Die Jugendlichen fühlen sich aus rassistischen Motiven heraus schikaniert. Ein 26-Jähriger, der am Mittwoch von Polizeibeamten im angrenzenden August-Lüttgens-Park auf brutale Weise festgenommen wurde, zeigt sein ärztliches Attest mit seinen Verletzungen.

Seit dem 1. Juni ist das gesamte Schanzenviertel zum Gefahrengebiet erklärt worden.

Ziel der polizeilichen Maßnahme ist laut Bezirksamt die "Rückeroberung" des öffentlichen Raums, um den Drogenhandel aus dem Flora-Park zu vertreiben.

Täglich von 13 Uhr bis vier Uhr früh darf die Polizei zwischen Stresemannstraße, der Schanzen- und Lagerstraße, Schröderstiftstraße, Kleinem Schäferkamp und Altonaer Straße verdachtsunabhängig Personen kontrollieren.

Nicht nur Konsumenten und Dealer weichen durch die verstärkten Personenkontrollen in die umliegenden Viertel aus. Auch unbeteiligte Jugendliche wurden durch die Maßnahme aus der Schanze vertrieben.

„Die sind über mich hergefallen, weil sie es den Jugendlichen zeigen wollten, dass sie die Macht haben“, sagt er. Einer seiner Freunde hat mit seinem Handy gefilmt, wie er von einem Beamten mit dem Teleskop-Stab angegriffen, mit Handschellen gefesselt und dann minutenlang auf den Boden gedrückt wird.

Am Donnerstag sei er dann mit einer Gruppe von 20 Personen auf dem Weg zum Gebet in die Moschee gewesen, als Polizisten von zwei Seiten angerückt seien, schildert der 26-Jährige. Als die Gruppe von der Polizei umstellt und an eine Wand gedrückt wurde, eilten rund 150 Anwohner zur Hilfe und ergriffen Partei für die Jugendlichen und behinderten den Einsatz. Der 26-Jährige wurde erneut Opfer – diesmal durch den Einsatz von Pfefferspray, er wurde bewusstlos und kam ins Krankenhaus. „Irgendwann wird es hier explodieren“, sagt er.

Der Vorfall wurde auch vom alternativen Medienprojekt Utopie TV mit einem Youtube-Video dokumentiert. In dem Beitrag sagt einer der Jugendlichen in die Kamera, das er das Vorgehen der Polizei für ein Fehlverhalten hält. "Jeden Tag werden wir hier kontrolliert und dabei wohnen wir hier." Eigentlich hätten die Jugendlichen doch nur zum Fastenbrechen treffen wollen, erklärt einer. Es sei doch gerade Ramadan.

Die Mutter eines der betroffenen Jungen sagt, sie sei bereits am Tag vor der Auseinandersetzung zur Polizei gegangen, um zu klären, warum die Polizei in ihrem Viertel so präsent sei. Die Beamten erklärten ihr, sie wollten verhindern, dass Altona wie die französischen Banlieues oder Neuwiedenthal zur „aufgegebenen Zone“ werde. „Normalerweise erwartet man von der Polizei doch Deeskalation“, sagt sie. Was jetzt passiere, sei das Gegenteil.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.