Anwalt über Spionage-Vorwurf: „Kein klassischer Spion“
Der Anwalt Klaus Schroth vertritt den deutschen Agenten, der Geheimnisse des BND an die USA verraten haben soll. Die Verteidigung sei nicht so einfach, sagt er.
taz: Herr Schroth, Ihr Mandant Markus R. hat zuletzt mächtig Wirbel verursacht. Er soll der CIA mindestens 218 interne Dokumente aus dem BND zugespielt haben. Am Mittwoch wird das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags über den Fall informiert, am Donnerstag kommt Generalbundesanwalt Harald Range in den NSA-Ausschuss. Fürchten Sie, das dabei brisante Neuigkeiten enthüllt werden?
Klaus Schroth: Davon gehe ich nicht aus. Ich denke aber, dass die Bundesanwaltschaft eine Auswertung der sichergestellten Unterlagen vortragen wird.
Die dürfte es in sich haben. Die BND-Überwachung der Türkei soll sich darin finden, ein abgefangenes Telefonat von US-Außenministerin Hillary Clinton, Gesprächsprotokolle des BND-Präsidenten. Hat Ihr Mandant doch mehr durchgestochen, als er anfangs zugab?
Das würde ich so im Moment noch nicht unterstreichen. Bisher liegt noch keine Analyse von Sachverständigen zu den Papieren vor. Erst die kann sagen, was von den Inhalten bereits bekannt oder unbekannt war, was brisant oder nicht. Ich als Strafverteidiger kann das jetzt noch nicht beurteilen.
Gemessen an der politischen Erregung ist das Urteil klar: Die Informationen sind höchst heikel.
Ich warte erst mal ab, was die Sachverständigen sagen. Ich denke, es wird sich herausstellen, dass viele der Dokumente nicht die Bedeutung haben, die ihnen jetzt beigemessen wird.
In den Papieren sollen auch eine Adressliste mit BND-Residenzen oder Konzepte zur Gegenspionage gewesen sein. Das ist doch wohl brisant, oder?
Ich habe noch nicht alle Akten im Detail lesen können. Wenn das so wäre, dann könnte das schon eine gewisse Bedeutung haben, keine Frage. Die meisten Dinge, die mein Mandant weitergegeben haben soll, sind aber aus meiner Sicht geheimdienstlich wertlos. Und ich will mal so sagen: Wenn die Unterlagen so streng geheim wären, wie war es dann möglich, dass ein einfacher Mitarbeiter aus der Registratur sie in die Hand bekam?
74, ist Strafverteidiger in Karlsruhe. Er verteidige unter anderem den einstigen DDR-Spion Rainer „Topas" Rupp und Wettermoderator Jörg Kachelmann
Ihre Verteidigung ist jetzt aber sicher nicht einfacher geworden?
Dass die Verteidigung eines Spions nicht einfach ist, ist klar. Die Frage aber ist: Welche Rolle hatte mein Mandant inne? Und da bleibe ich dabei: Er ist alles andere als der klassische Spion. Er hat nicht gezielt nach bestimmten Sachen gesucht und damit seine Geschäfte gemacht. Dafür halte ich ihn auch nicht für fähig. Stattdessen hat er mehr oder weniger wahllos Papiere mit rausgenommen, die auf seinen Schreibtisch kamen.
Ihr Mandant sitzt weiter in Haft. Wie verfolgt er die Debatte?
Er ist sehr überrascht. Er hat nicht damit gerechnet, plötzlich eine Person der Öffentlichkeit zu werden. Ich sehe ihn momentan wöchentlich. Mein Eindruck ist, dass er sich unter den gegebenen Umständen normal fühlt. Allerdings befindet er sich weiter in Einzelhaft, hat auch Hofgang nur alleine.
Wissen Sie, was sein Motiv für die Zusammenarbeit mit der CIA war? Er soll 25.000 Euro für seine Dienste bekommen haben.
Das war ein Bündel. Sicher war es eine Frage des Geldes. Es war aber auch Frust, weil er die ganze Zeit darauf gewartet hat, nach Berlin versetzt zu werden. Ich habe ihn gebeten, seine Sicht der Dinge mal niederzuschreiben. Das tut er nun.
Ihr Mandant wurde auch psychiatrisch untersucht. Was kam dabei heraus?
Das Gutachten liegt noch nicht vor. Ich gehe aber davon aus, dass mein Mandant an sich schuldfähig ist. In seinem Geständnis wusste er schon, dass er etwas Unrechtes gemacht hat. Nur hat er sich die Tragweite nicht vergegenwärtigt.
Markus R. ist geständig, die Ermittlungen sollten also schnell gehen. Ist eine Anklage schon absehbar?
Nein. Noch stehen, wie gesagt, Gutachten aus. Ich gehe momentan nicht davon aus, dass dieses Jahr noch eine Hauptverhandlung stattfinden wird.
Hat sich die CIA eigentlich mal gemeldet und nach ihrem einstigen Informanten erkundigt?
Nein. Ich gehe auch nicht davon aus, dass sich da noch jemand meldet.
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