Antiziganismus in Berlin: Beim Jobcenter diskriminiert
Menschen mit Roma-Hintergrund werden in Bundesbehörden oft benachteiligt. Das Landesantidiskriminierungsgesetz schützt nicht.
Das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) ist ein Meilenstein im Kampf für Minderheitenrechte. Für Menschen mit selbst- oder fremdzugeschriebenem Roma-Hintergrund ist es bislang allerdings nur begrenzt hilfreich. Diese Einschätzung war Konsens in Vorträgen und Diskussionen, im Rahmen derer Amaro Foro, der Berliner Jugendverband von Rom*nja und Nicht-Rom*nja, seine „Dokumentation Antiziganistischer Vorfälle 2019/2020“ am späten Dienstagnachmittag vorstellte (taz berichtete). „Bundesbehörden wie das Jobcenter oder die Familienkasse werden vom LADG nicht erfasst, machen aber etwa die Hälfte unserer Beschwerdefälle aus“, erklärte Andrea Wierich, Pressesprecherin des Vereins.
Die „Dokumentation Antiziganistischer Vorfälle“ erstellt Amaro Foro seit 2014 im Auftrag des Senats. Danach sind Sinti und Roma, beziehungsweise Menschen, die dafür gehalten werden, in Berlin weiterhin von Stigmatisierungen betroffen, oft von staatlichen Institutionen wie Jobcenter, Schulen, den bezirklichen Wohnhilfen, der Polizei. Zahlen legte Amaro Foro dieses Mal nicht vor, da aufgrund von Corona die Meldungen beim Verein zurückgegangen seien und man von einer noch höheren Dunkelziffer als sonst ausgehen müsse, erklärte Wierich.
Mitarbeiter*innen von Amaro Foro schilderten, mit welchen Schikanen Betroffene in Leistungsbehörden (Jobcenter, Familienkasse) konfrontiert seien und wie existenzbedrohend diese staatliche Diskriminierung wäre. „Es ist immer das gleiche Muster“, sagt Elmedin Sopa. Schon die Annahme von Anträgen werde häufig verweigert. „Das ist illegal und macht viele Probleme“, erklärt er – etwa wenn der Antrag dann erst später gestellt werden kann.
So müssten an Arbeitnehmer*innen, die als Geringverdiener aufstockende Sozialhilfe beantragen wollen, absurde Fragen beantworten, „die man Deutschen nie stellen würde“, erklärte Laura Bastian, Sozialberaterin des Vereins für Rumänen. Am Ende würden Anträge von Rumänen meist abgelehnt, und erst nach Verweis auf die Gesetzeslage durch Amaro Foro angenommen.
Racial Profiling
Bastian zitierte aus einem Ablehnungsbescheid, in dem es hieß, die Arbeit sei nur aufgenommen worden, um Leistungen zu beantragen, denn „das Einkommen ist so gering, dass es offenkundig nicht zum Leben reicht“. Dies widerspreche nicht nur der Lebensrealität, „dass man trotz 40-Stunden-Job seine Familie nicht durchbringen kann“, so Bastian. Dieses Vorgehen sei zudem offenkundiges Racial Profiling. „Man hat den Eindruck, es wird alles dafür getan, dass die Menschen zurück gehen.“
Diesen Eindruck habe er auch von der Polizei, erklärte Biplab Basu, Mitbegründer der Kampagne für Opfer von Polizeigewalt (KOP) bei der anschließenden Podiumsdiskussion über Antiziganismus bei der Polizei und das LADG. „Die Polizei ist dazu da, Sinti und Roma und andere zu kriminalisieren.“ Das werde trotz LADG so bleiben, befürchte er. Die Mehrheitsgesellschaft habe kein Problem mit Diskriminierungen, „gerade Sinti und Roma haben keine Lobby“. Vielfach höre er von Betroffenen, dass sich Umstehende bei Vorfällen „sogar freuen, wenn sie racial profiling sehen“. Zudem trauten sich viele Sinti und Roma nicht, sich gegen racial profiling zu wehren und etwa Anzeige gegen PolizistInnen zu erstatten.
Dies hat auch Doris Liebscher, Leiterin der Ombudsstelle des LADG, festgestellt. Es kämen nur sehr wenige Beschwerden von Sinti und Roma bei ihrer Stelle an, was zeige, dass die Gruppe nur geringe „Beschwerdemacht“ habe. Umso wichtiger seien Organisationen wie Amaro Foro, die Diskriminierungen dokumentieren und analysieren und mit der Ombudsstelle in Austausch stehen. Damit die „facettenreichen und intersektionalen Diskriminierungsrealitäten“ überhaupt erstmal erkannt werden.
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