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Antisemitismus von linksBoykotte und Attacken aus der eigenen Szene

Bis heute behaupten manche, israelsolidarische Linke gebe es nur in Deutschland. Dass das nicht stimmt, zeigt ein Blick nach Polen.

Gedenkzeremonie in Warschau am 7. Oktober 2024 für den nach Gaza Verschleppten polnisch-israelischen Historiker Alex Dancyg Foto: Kacper Pempel/reuters

B is heute behaupten bestimmte linke Kreise, israelsolidarische Linke, die gebe es nur in Deutschland, wegen german guilt, also der ermordeten Juden und des damit verbundenen schlechten Gewissens. Aber so ganz stimmt die Behauptung nicht – das zeigt auch ein Blick nach Polen. Ich las in dieser Woche von dem antisemitischen Angriff auf das polnische autonome Kulturzentrum „OCSK Postój“ in Wrocław.

Was war passiert? Der 7. Oktober 2023 war passiert, auf den das Zentrum mit Solidarität reagierte und sich nicht dem Mantra anschloss, die Terroristen seien Widerstandskämpfer. Seitdem wird das „OCSK Postój“ von anderen Linken tyrannisiert und boykottiert, berichtet die Jungle World.

Unbekannte hatten Ende November eine Infotafel mit einem Davidstern beschmiert, der dort mit einem Hakenkreuz gleichgesetzt war. Erst Mitte Oktober hatten Maskierte eine Freiluftgalerie verwüstet, ebenso ein Plakat, das zum Kampf gegen Antisemitismus aufruft. Sie sprühten „Zionisten“ auf Tafeln und beschädigten ein Werk, das polnische Juden aus der Vorkriegszeit zeigte.

Nach dem Sechstagekrieg 1967 und den auch in Polen aufkommenden Studentenprotesten, hatte die Regierung die Proteste für eine antisemitische Hetzjagd gegen „Zionisten“ instrumentalisiert. In der Folge mussten 13.000 Jüdinnen und Juden das Land verlassen. Als Zio­nisten geschmäht zu werden, erinnere die Gruppe an diese Zeit, schreiben sie auf Instagram.

Wie schon im Jahr 1983

Ich musste an noch etwas anderes denken, das einige Jahrzehnte später in Polen passiert war. Dafür kramte ich meine alte externe Festplatte hervor, suchte meine Unterlagen einer Vorlesung zur polnischen Geschichte heraus, die ich während meines Studiums besucht hatte, und fand mich alsbald im Jahr 1983 wieder, um genau zu sein, am 19. April, zur Feier des Aufstands im Warschauer Ghetto.

Sie müssen sich das so vorstellen: Die sozialistische Führung hatte zum 40. Jahrestag des Aufstands zu einem Gedenken aufgerufen. An besagtem Tag versammelten sich Hunderte Menschen am Gedenkort in Warschau. Viel Polizei, Politiker, jüdische Verbände aus dem Ausland; es wurde Marschmusik gespielt, Blumen niedergelegt, alles sehr andächtig. In einer Archivaufnahme der Nachrichtenagentur Reuters taucht Fuad Yassin auf, Vertreter der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) in Polen. Auch er legte an diesem Tag Blumen nieder. Yassin sagte, er habe einen Kranz niedergelegt, weil „das jüdische Volk Opfer des Natio­nalsozialismus war und das palästinensische Volk Opfer der neuen Nazis, der Zionisten, ist“.

Polnische Juden boykottierten die Veranstaltung. Auf die Frage, warum er es ablehne, dass die PLO an der Zeremonie teilnehme, antwortete ein Überlebender des Warschauer Ghettos, Mark Weinberg, in dem Reuters-Beitrag knapp: „Sie bringen uns um.“

Noch nicht lange her, Anfang 2023, waren es Rechtsextreme, die das Kulturzentrum „OCSK Postój“ überfielen. Sie waren nach Wrocław gepilgert, um Roman Dmowski zu huldigen, der 1939 verstorbenen zentralen Figur der nationalistischen und antisemitischen Bewegung Natio­naldemokratie. Dmowski setzte Boykotte jüdischer Geschäfte durch und zollte Hitler seinen Respekt.

Als Linker aus der rechten Szene angegriffen zu werden, ist wenig überraschend. Aber aus der eigenen Szene boykottiert und attackiert zu werden, das schmerzt besonders.

Linke Zionisten-Schreier und rechte Dmowski-Fans verbindet eines: ihr Antisemitismus. Der Unterschied ist, dass die Linken sich gleichzeitig als Antifaschisten verkaufen wollen. Vielleicht marschieren sie ja bald wieder mal zusammen gegen Israel. Antisemitismus ist ja schließlich eine Brückenideologie, dachte ich noch und legte meine Festplatte wieder in den Schrank.

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Erica Zingher
Autorin und Kolumnistin
Beschäftigt sich mit Antisemitismus, jüdischem Leben, postsowjetischer Migration sowie Osteuropa und Israel. Kolumnistin der "Grauzone" bei tazzwei. Beobachtet antidemokratische Bewegungen beim Verein democ. Axel-Springer-Preis für jungen Journalismus 2021, Kategorie Silber. Freie Podcasterin und Moderatorin.
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4 Kommentare

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  • Die antisemitischen Linken sind nützliche Werkzeuge der Hamas. Die Hamas und andere islamistische Gruppen sind nützliche Werkzeuge der europäischen Rechten. Trauriges Schauspiel, das mit sinnvoller Kritik an Israel und vernünftiger wirksamer Solidarität mit den Palästinensern nichts zu tun hat.

    • @aujau:

      Vielleicht können Sie mir zustimmen?



      In einem Blatt, in dem das linksdeutsche Israelgespräch völlig dominiert, muss sich Frau Zingher garantiert nicht noch mit „sinnvoller Kritik an Israel und vernünftiger wirksamer Solidarität mit den Palästinensern“ beschäftigen.

  • Das sog "Linke" und Rechte große ideologische Gemeinsamkeiten haben ist ja aktuell in Frankreich zu beobachten.



    Und das nicht nur die französische Linke ein Problem mit Antisemitismus hat kann man auch hier in der taz nachverfolgen. Da gibt es ja schon den einen oder anderen Hamas-Freund.



    Aber noch storniere ich meinen Unterstützungbeitrag nicht, solange ich auch Artikel wie diesen lesen kann.

    • @Maxhamburg:

      Am Ende muss sich Pluralismus vor allen auch quantitativ erweisen: Einem Artikel der Autoren Erica Zingher oder Jonathan Guggenberger stehen 10 Redaktionsartikel prominent gegenüber.



      Damit korrelierend kommt im Kommentarbereich kein Israelverteidiger zu Wort, ohne anschließend von zwei und mehr Kommentatoren angefallen zu werden, die ohnehin in der Mehrheit sind.



      Man kann einfach nicht weitergehen, schreibt (fast) ausschließlich gegen Israel, als gäbe es kein anderes Thema, das die Leidenschaft weckt. Und darin verrät sich der Antisemit, der keiner sein will.