Antisemitismus in London: Die Jagdsaison ist eröffnet
Antisemitischer Vandalismus in London trifft selbst kleine jüdische Einrichtungen, auf Demos wird islamistisch gehetzt. Die Polizei geht kaum dagegen vor.
E ine antisemitische Wucht hat London getroffen. Seit den 1930er Jahren hat diese Stadt nichts dergleichen erleben müssen. Damals trug Oswald Mosleys British Union of Fascists (BUF) den Hass auf die Straße. Jetzt sind die Antisemiten wieder in der Stadt, und sie haben sich gut verkleidet. Sie tragen nicht mehr BUF-Schwarzhemden und beschränken ihre Aktivitäten nicht auf das East End. Ihr Ziel ist die fotogene Innenstadt.
Perfekt organisierte Medienprofis karren sie aus ganz England herbei. Sie mischen sich unter friedliche Demonstranten, um die Stimmung anzuheizen. Attraktive Frauen kommen mit Chormeistern, die ihnen Hass-Lieder vorsingen. Man trägt Paraglider-Tops, hält Plakate mit „Ich unterstütze die Hamas“, „Sieg der Intifada“ und „Zionismus ist Rassismus“ hoch.
Mit roter Farbe werden „feindliche“ Gebäude angesprayt. Selbst kleine jüdische Einrichtungen sind nicht mehr sicher: In der Nähe des Britischen Museums befindet sich die Wiener Holocaust Library, die von dem deutschen Emigranten Alfred Wiener gegründet wurde.
Der Journalist Daniel Finkelstein unterstützt die Bibliothek seines Großvaters Alfred Wiener seit Jahrzehnten. Als sie am letzten Donnerstag beschmiert wurde, schrieb er auf X: „Ich bin entsetzt über den Graffiti-Angriff auf die Bibliothek meines Großvaters. Alfred Wiener promovierte über den Islam. Das arabische Volk bedeutete ihm viel. Der Vandalismus gegen sein Holocaust-Archiv legt einen Angriff auf Juden nahe und nicht eine Kritik an Israel. Es ist bestürzend.“
Sadiq Khan im Wahlkampf 2016
Jüdische Londoner sind seit dem 8. Oktober alleingelassen. Auf Londons Bürgermeister Sadiq Khan können sie nicht hoffen. Bei seinem ersten Wahlkampf 2016 hatte er sie noch umworben: „Mir ist es wichtig, null Toleranz gegenüber antisemitischen Taten zu zeigen. Ich werde dafür genug Polizeiressourcen aufwenden.“
Stattdessen wurde Khans Londoner Metropolitan-Polizei (MET) in den letzten Jahren berüchtigt für Rassismus und Misogynie. Der traurige Höhepunkt an Inkompetenz zeigte sich in den letzten Wochen. Met-Polizisten unternahmen nichts gegen antisemitische Hassreden. Als bei einer Demo der islamistischen Hizb ut-Tahrir ein Redner fragte: „Was ist die Lösung, um die Menschen aus dem Konzentrationslager Palästina zu befreien?“, kam die singende Antwort: „Jihad! Jihad!“
Die Met sah zu und verkündete anschließend auf X, Jihad wäre ein arabisches Wort mit mehreren Bedeutungen. Der Tweet schloss mit der niederschmetternden Logik, aufgrund dieser Bedeutungsvielfalt läge kein Hassverbrechen vor.
Plakate von Hamas-Geiseln
So viel Milde im Umgang mit Demonstranten ist für die Met eher ungewöhnlich. Als es bei den Krönungsfeierlichkeiten im Mai zu friedlichen Protesten gegen König Charles kam, wurden Demonstranten sofort einkassiert. Jetzt beschäftigte sich ein Polizist lieber damit, Plakate von Hamas-Geiseln zu entfernen. Die Fotos entführter Kinder und Babys könnten ja „Hass“ auslösen. Damit liegt der Mann im Trend. Plakate von Hamas-Geiseln werden in London regelmäßig abgerissen und müssen alle 48 Stunden wieder neu aufgehängt werden.
Bürgermeister Khan hat kein Robert-Habeck-Potenzial, er findet keine versöhnlichen Worte für alle Londoner. Khan bereitet seine Wiederwahl für 2024 vor und denkt dabei an seine Hardcore-Wählerschaft. Er gehört deshalb auch zu den Kritikern des Labour-Parteiführers Keir Starmer. Starmer hatte versucht, sich von Jeremy Corbyn und dessen antisemitischen Gefolgsleuten zu befreien. Starmers Verständnis für Israel und seine Bedenken gegen eine Waffenruhe werden ihm jetzt von Khan und einer wachsenden Zahl von Labour-Abgeordneten vorgeworfen. Sie drohen die Partei zu spalten.
Der nächste „Million March for Palestine“ ist für Samstag, den 11. November, in London angesetzt. Der Tag hat eine besondere Bedeutung für die Briten. Am 11. November gedenkt man traditionell des Endes des Ersten Weltkriegs mit einer Schweigeminute. Laut einem der Million-March-Organisatoren ist dies jedoch nicht mehr zeitgemäß. Im Ersten Weltkrieg hätte die britische Balfour-Deklaration schließlich Juden eine Heimat in Aussicht gestellt. Damit hätte alles angefangen. Man will deswegen lieber wieder eine Runde „from the river to the sea“ singen.
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