Antisemitismus in Großbritannien: Starker Anstieg nach dem 7. Oktober
So viele Vorfälle wie im vergangenen Jahr wurden noch nie in Großbritannien registriert. Erneut steht die Labour Party in keinem guten Licht da.
Im Vergleich zu 2022 stieg die Zahl demnach um 589 Prozent. Allein 2.700 Vorfälle registrierte der CST am oder kurz nach dem 7. Oktober. Laut CST fühlten sich die Täter:innen durch die brutalen Attacken der Hamas im Süden Israels inspiriert. Die Vorfälle könnten als Feiern dieser Hamasangriffe beschrieben werden.
Die Statistik des CST lässt auch Aussagen über die Art der Vorfälle zu. Demnach handelt es sich in 3.328 Fällen mindestens um eine Beschimpfung und Beleidigung und in 305 Fällen um Bedrohungen. Zudem registrierte das CST 266 physische Angriffe, 182 Fälle von Beschädigungen oder Entwürdigungen jüdischer Orte und 22 Vorfälle, die mit der Produktion oder dem Verteilen antisemitischer Literatur zu tun haben. Besonders beunruhige den CST, dass in einem Fünftel aller Fälle die Betroffenen des Antisemitismus jünger als 18 Jahre waren.
In 58 Angriffen wurden Objekte wie Ziegelsteine, Flaschen oder Eier geworfen. In 13 Fällen gab es Angriffe mit Waffen, in 3 Fällen Messerangriffe oder Bedrohungen, in 10 Fällen wurde versucht, mit einem Fahrzeug Opfern zu schaden. In 53 Fällen wurden Betroffene getreten oder geschlagen, in 36 Fällen angespuckt und in 15 Fällen entrissen die Täter:innen jüdischen Menschen ihre religiösen Kleidungsteile oder Gegenstände.
Antisemitismus bei Labour
Von den 48 Vorfällen, die im Umfeld politischer Organisationen geschahen, lassen sich 45 der linken Labourpartei zuordnen. In dieser Woche hatte Labour bereits von zwei Parlamentskandidaten für die Nachwahl ablassen müssen: einem in Rochdale sowie einem in Hyndburn. Es war bekannt geworden, dass sie sich antisemitisch geäußert hatten.
Die jüdische Labourpolitikerin Louise Ellman, die bis 2019 Abgeordnete in Liverpool war, warnte am Mittwoch in einer Sendung des Times Radio, dass die Partei Kandidat:innen robusteren Prüfungen unterziehen müsse, wenn sie nicht wieder in Verruf geraten wolle.
Keir Starmer, der Labour-Vorsitzende, hat bereits starke Veränderungen in der Partei eingeführt, nachdem die britische Gleichberechtigungs- und Menschenrechtsstelle (EHRC) 2020 in einer Untersuchung zu Antisemitismus in der Partei Bedrängungen und Diskriminierungen von jüdischen Mitgliedern festgestellt hatte.
Gesellschaftlicher Schandfleck
Der britische Innenminister James Cleverly (Tories) bezeichnete den Anstieg als Schande. Er würde tun, was er könne, um sicherzustellen, dass jüdische Gemeinden sicher seien, und arbeite mit der Polizei, um sicherzustellen, dass Hassverbrechen und Unterstützung der in Großbritannien verbotenen Hamas die ganze Kraft des Gesetzes spüre.
Auch seine Labourkollegin, die Schatteninnenministerin Yvette Cooper, bezeichnete das Wachstum als unerträglich und gesellschaftlichen Schandfleck. Der britische parlamentarische Beauftragte für Antisemitismus, Lord John Mann (Labour), stellte klar, Antisemitismus sei die Verantwortung aller Parteiführungen, ohne Wenn und Aber.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen