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Antisemitismus in FrankreichDie Hälfte der rassistischen Vorfälle

Frankreich hat die drittgrößte jüdische Gemeinde weltweit. Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der antisemitischen Übergriffe verdoppelt.

Menschen gedenken der Opfer der Geiselnahme in einem koscheren Supermarkt in Paris Bild: dpa

PARIS afp | Die Zahl antisemitischer Attacken in Frankreich hat sich im vergangenen Jahr sprunghaft erhöht: Im Vergleich zum Vorjahr habe sich die Zahl der Angriffe und Beleidigungen 2014 verdoppelt, gab der jüdische Dachverband Crif am Dienstag in Paris bekannt. Bei Gewalttaten gegen Menschen habe der Anstieg sogar bei 130 Prozent gelegen. Dies sei „sehr besorgniserregend“ und zeige eine teils zunehmende Radikalisierung „von der Beleidigung zur Gewalt, von der Gewalt zum Terrorismus“ auf. Nötig seien Schutz und Prävention etwa auch durch Erziehung.

Insgesamt zählte der Crif 851 antisemitische Taten im vergangenen Jahr, gegenüber 423 im Jahr 2013. Die Zahl der Angriffe mit körperlicher Gewalt stieg sogar von 105 auf 241. Der Dachverband hob hervor, dass die antisemitischen Taten rund die Hälfte aller rassistischen Vorfälle in Frankreich umfassten, obwohl die Juden weniger als ein Prozent der französischen Bevölkerung ausmachten.

Die jüdische Gemeinde in Frankreich ist mit 500.000 bis 600.000 Mitgliedern die größte in Europa und die drittgrößte weltweit nach Israel und den USA. Die französischen Juden beklagen seit Jahren einen wachsenden Antisemitismus, die Zahl der Auswanderer nach Israel steigt nicht zuletzt deshalb ständig an.

Bei der islamistischen Anschlagsserie in Frankreich vor rund drei Wochen waren auch Juden das Ziel der Attentäter. Bei einer Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt in Paris erschoss einer der Islamisten vier Menschen. Insgesamt waren bei der Anschlagsserie im Großraum Paris 17 Menschen von den drei Islamisten getötet worden, die am Ende von der Polizei erschossen wurden.

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6 Kommentare

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  • Wo kommen die ganzen Antisemiten plötzlich her? Wiederauferstandene deutsche Nazi-Zombies? Oder importiert?

  • bevor man zu dieser erweiterten agenturmeldung sinnvoll was sagen kann, muß man sich erst mal mit den rapports selbst beschäftigen -



    für 2014 http://www.antisem....fr/dl/2014-EN.pdf bzw. http://www.antisem....fr/dl/2014-FR.pdf



    und für die jahre ab 2006 im archiv http://www.antisemitisme.fr/dl/

    ohne dies und ohne nachzuforschen, was in fronkroisch als rassistischer akt eingestuft wird und was nicht (vielleicht auch: warum nicht) sehe ich in dieser erweiterten agenturmeldung keine (sinnvolle) diskussionsbasis.

  • Wer bei Google "Anschlagsopfer in Israel" eingibt, bekommt auf der ersten vier Seite ausschließlich Treffer angezeigt, auf denen die Überführung und Beerdigung der Toten von Toulouse thematisiert wird – aber keine einzige Statistik zu den Zahlen der im Land Gestorbenen. (Darunter wird übrigens auf zwei der vier Seiten Werbung für christliche Israel-Reisen präsentiert.)

     

    Wikipedia gibt die Zahl der Anschlagsopfer in Israel für den Zeitraum zwischen 1948 und 2009 mit 14.500 Toten an. Das macht im Schnitt 61 Opfer pro Jahr, wobei iese Statistik nicht zwischen Juden und Nichtjuden unterschidet. Neuere Zahlen liegen offenbar nicht vor. Der Focus, immerhin, hat am 18.08.2011 eine "Chronologie" des Schreckens veröffentlicht. Zwischen Juni 2002 und März 2008 sind demzufolge bei Selbstmordattentaten insgesamt 141 Menschen umgekommen, mithin "nur" 23,5 pro Jahr. (Ob man das einen Fortschritt nennen soll, weiß ich nicht so genau.) Zugegeben, nicht alle Opfer waren (streng gläubige, gemäßigte, säkularen, atheistischen oder agnostische) Juden, aber dass Netanjahus "Heim" auf mich besonders heimelig wirkt angesichts dieser Zahlen, kann ich beim besten Willen nicht behaupten. Wobei ich natürlich zugeben muss, dass es gefühlt womöglich einen gewaltigen Unterschied macht, ob man "unter seinesgleichen" massakriert zu werden droht, oder "in der Fremde".

     

    Und noch drei Zahlen geben mir zu denken. 2013 waren weltweit bei insgesamt fast 10.000 Attentaten 17.958 Todesopfer zu beklagen (Tendenz: stark steigend). 80% davon entfielen auf die Krisenstaaten Irak, Afghanistan, Pakistan, Nigeria und Syrien. Das macht statistisch rund 2.873 Tote pro Krisenstaat und Jahr. Ich frage mich im Ernst, ob all diese Zahlen nicht vielleicht etwas gemeinsam haben – und ob es wirklich sinnvoll ist, so, wie es Rating-Agenturen tun, ein Land wie Frankreich zu einem Quasi-Krisenstaat herabzustufen. Wenn ja, wer hätte was davon?

  • Sind die Täter denn nun alle ausgewiesenen Anhänger des FN, oder habe ich überlesen welche Bevölkerungsgruppe für den Großteil dieses Anstieges verantwortlich ist?

    • @KarlM:

      Machen Sie sich keine Sorgen. Ihre gesuchte Bevölkerungsgruppe wird noch früh genug mit dem Verweis auf Gaza entschuldigt werden.