Antisemitismus in Berlin: Kampf gegen Hass ist zu teuer
Daniel Alter war drei Jahre Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde. Jetzt ist er den Posten los. Weil das Geld fehlt, sagt die Gemeinde.
Die Jüdische Gemeinde zu Berlin hat keinen Antisemitismusbeauftragten mehr. Der Vertrag von Rabbiner Daniel Alter, der das Amt seit drei Jahren hauptamtlich ausübte, ist am vergangenen Sonntag ausgelaufen und wurde nicht verlängert. Einen Nachfolger gibt es nicht. Die Gemeinde macht für die Vakanz eine unzureichende finanzielle Ausstattung durch das Land verantwortlich. Offenbar sind aber auch interne Konflikte ursächlich dafür.
Alter war als Antisemitismusbeauftragter eines der prominentesten Gesichter der Jüdischen Gemeinde. Das Amt hatte er Ende 2012 übernommen – es war das Jahr, in dem er von Jugendlichen auf der Straße attackiert worden war, die ihn als Juden identifiziert hatten. Neben seiner Arbeit als Ansprechpartner für die Gemeindemitglieder ging er viel in die Öffentlichkeit, hielt Vorträge, besuchte gemeinsam mit Imamen Schulklassen. Im taz-Interview mahnte er erst vor wenigen Wochen an, Flüchtlinge aus muslimischen Ländern willkommen zu heißen, ihnen aber auch demokratische Werte zu vermitteln.
Zu seinem Ausscheiden äußert sich Alter nur in Form eines Facebook-Eintrags. Darin verweist er auf eine Entwicklung, die vor einem Jahr begonnen habe: „Damals wurde mir ein Vertrag zur Verlängerung vorgelegt, der für mich inakzeptabel war.“ Es ging unter anderem um die anhaltende Befristung seines Arbeitsverhältnisses. Aufgrund der „komplexen arbeitsrechtlichen Situation wurde es damals notwendig, vor Gericht zu gehen“, schreibt Alter weiter. Heraus kam als Kompromiss eine einjährige Verlängerung, die nun ablief.
Dagegen hat die Gemeinde laut ihrem Sprecher Ilan Kiesling nicht mehr die finanziellen Möglichkeiten, die Stelle zu besetzen. Das liege an gestiegenen Personal- und Sicherheitskosten. „All diesen Verpflichtungen kann die Berliner Gemeinde weiterhin nur nachkommen, wenn der Berliner Senat seine Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag und dem Gerichtsurteil erfüllt“, so Kiesling.
Damit bezieht er sich auf einen Rechtsstreit, bei dem es um die Höhe der Zuwendungen geht, die das Land der Gemeinde gemäß dem Staatsvertrag zahlen muss. Ende 2014 hatte das Verwaltungsgericht eine Entscheidung getroffen, bei der beide Seiten Abstriche von ihren Forderungen hinnehmen mussten. Land und Gemeinde gingen jedoch in Berufung, das Verfahren ist weiter anhängig. Vereinfacht gesagt geht es um jährlich mehrere Millionen Euro, die die Gemeinde für ihre Personalausgaben zusätzlich erhält – oder eben nicht.
Kritik an der Entscheidung, das Amt des Antisemitismusbeauftragten nicht mehr zu besetzen, äußert Sergey Lagodinsky. Er ist Mitglied der Repräsentantenversammlung der Gemeinde und tritt bei der Wahl zum Vorsitz im Dezember gegen Amtsinhaber Gideon Joffe an. Lagodinsky sprach gegenüber der taz von einem „unverantwortlichen Schritt“ in Zeiten einer angespannten Sicherheitslage und drängender Fragen des Zusammenlebens der Religionen: „Wir brauchen jemanden, der Zeit und Verbindungen hat, der die Rückkopplung zur Gesellschaft gewährleistet, aber auch für die Mitglieder da ist, die mit Anfeindungen zu kämpfen haben.“ Er halte die Entscheidung für das Ergebnis von „mangelnder Professionalität und wenig politischem Fingerspitzengefühl“.
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