Antisemitismus im Fußball: Hasspartikel in allen Ritzen
Die Feinfühligkeit in Sachen Rassismus ist groß, auch im Fußball. Aber was ist mit antisemitischen Tendenzen in Europas Ligen?
A ntirassistische Slogans haben sich im Fußball fest etabliert. Sie gehören zur fixen Ikonographie von Spielen, etwa in der englischen Premier League. In der Partie von Manchester United gegen den FC Liverpool wurde dem Zuschauer am Donnerstag der gute Wille der Klubs gleich doppelt präsentiert, mit einem großen Plakat auf der noch immer zuschauerfreien Tribüne und in regelmäßigen kleinen Einspielern unter dem Ergebnisdienst.
Nun kann man nicht verlangen, dass der Fußball auf tagespolitische Ereignisse reagiert. Das wäre geradezu absurd und würde dem Gedanken der idealiter manipulationsfreien Unterhaltung zuwiderlaufen, aber auffällig ist es schon, dass Kampagnen gegen Judenhass und aufdringliche Israelfeindlichkeit zwei bis drei Nummern kleiner gefahren werden – wenn sie denn überhaupt ihren Platz in der Aufmerksamkeitsökonomie finden.
Derzeit lässt die radikale Hamas von Gaza aus Raketen auf Israel regnen, präsentiert sich in einem Dauerkonflikt als Aggressor, und es ist nur der technologischen Überlegenheit des einzigen demokratischen Staates im Nahen Osten zu verdanken, dass es nicht Dutzende zivile Opfer gibt. Israel nimmt sein Recht auf Selbstverteidigung wahr und reagiert mit Gegenschlägen, deren Zerstörungskraft und Kompromisslosigkeit – zugegeben – pazifistische Gemüter gleichfalls erschrecken lässt.
Dieser seit Jahrzehnten schwelende und politisch scheinbar unlösbare Konflikt wirkt wie ein Brandbeschleuniger des gegenseitigen Hasses. Er hat dazu geführt, dass es in der arabischen Welt alle nur erdenklichen Formen des Antisemitismus und Antizionismus gibt; diese Hasspartikel in den Köpfen sind so zahlreich wie Sandkörner in der Wüste Sinai. Vor allem: Die Partikel sind mobil und längst nach Europa geweht, wo sie in die Ritzen der Zivilgesellschaft gedrungen sind.
Ausnahmsweise alternativlos
Es gibt nun Fußballprofis mit familiären Wurzeln im arabischen Raum, die ihre Sympathie mit dem palästinensischen Kampf gegen Israel und der antiisraelischen Boykottkampagne BDS nicht verhehlen. Das wirkt in Deutschland – um es vorsichtig zu formulieren: geschmacklos. In einem Land, in dem in der Nazizeit sechs Millionen Juden systematisch ermordet wurden, gibt es eine besondere Verantwortung den Juden und Israel gegenüber.
„Der Zivilisationsbruch durch die Shoah ist beispiellos“, hat Angela Merkel 2008 in einer Rede vor der Knesset gesagt – und diese Haltung als Staatsräson zementiert. Sie hat auch gesagt: „Menschlichkeit erwächst aus der Verantwortung für die Vergangenheit.“ Das ist in diesem Fall keine wohlfeile Politikerprosa, sondern alternativlos. Alternativlosigkeit ist in den allermeisten Fällen ein Ausdruck politischer Bequemlichkeit, hier gilt sie uneingeschränkt.
Daher sind all diese Beispiele verstörend, auch wenn sie sich nicht nur auf Deutschland beziehen: Wenn der Premier-League-Klub Aston Villa ein fröhliches Pessach-Fest wünscht und viel, viel mehr Dislikes als Likes bekommt. Wenn BDS-Unterstützer Roger Waters die Suspendierung israelischer Fußballklubs aus Fifa und Uefa fordert. Wenn Anhänger des niederländischen Klubs Vitesse Arnheim in Richtung der Ajax-Amsterdam-Fans „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“ grölen und man den identischen Ruf auch auf Demonstrationen in Deutschland hören kann.
Wenn die Familie des israelischen Fußballspielers Eran Zehavi (PSG Eindhoven) Opfer eines mutmaßlich antisemitischen Übergriffs wird. Wenn der jüdische Sportklub Makkabi hierzulande immer stärker in die Zange genommen wird von rechtsextremen und muslimischen Antisemiten. Laut einer Umfrage von Makkabi Deutschland sind zwei Drittel der jüdischen Fußballer Opfer antisemitischer Vorfälle geworden.
Das Problem wird nicht kleiner. Im Gegenteil: Es besteht Handlungsbedarf.
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