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Antisemitismus-DebatteDie Last des Namens

An der Beuth-Hochschule in Wedding spitzt sich der Streit um den Antisemitismus des Namensgebers zu. Am Donnerstag startet ein Symposium.

Gewichtig stehen die Buchstaben vor der Hochschule. Ob sie bleiben? Foto: imago stock & people

Die Zitate sind verstörend. Vor der Deutschen Tischgesellschaft – einer elitären Gruppe von Berliner Politikern, Künstlern, Militärs und Unternehmern, die sich ab 1811 regelmäßig versammelte – soll Christian Peter Wilhelm Beuth Juden mit Schweinen gleichgesetzt haben. Er sah „das Verbluten manches Judenjungens“ bei der Beschneidung als „wünschenswerte Folge“ an und behauptete, Juden würden „Kristenkindern das Blut abzapfen und trinken“. Beuth war demnach nicht nur Wegbereiter der Ingenieurwissenschaften, sondern auch Antisemit.

Für die nach ihm benannte Hochschule für Technik in Wedding ist das ein Problem. Soll, ja muss die Beuth-Hochschule ihren Namen ändern? Darüber wird an der Hochschule immer erbitterter gestritten. Diesen Donnerstag und Freitag findet vor Ort ein Symposium zu Beuths Historie statt, auch über eine mögliche Umbenennung soll dabei diskutiert werden. Es dürfte eine hitzige Veranstaltung werden: Denn dass die Hochschule tatsächlich den Namen wechselt, ist längst nicht ausgemacht.

Die ehemals Technische Fachhochschule hat sich erst 2009 in Beuth-Hochschule umbenannt, die Rezeption Beuths als Förderer von Technik und Bildung passte zum Selbstverständnis. Vor anderthalb Jahren machte Achim Bühl, Professor für Techniksoziologie, auf Beuths Antisemitismus aufmerksam. Die Hochschule gab ein externes Gutachten in Auftrag. Die Historiker Jörg Rudolph und Christian Schölzel konnten nachweisen, dass Beuth sich – neben seinen Äußerungen vor der Deutschen Tischgesellschaft – auch als Mitglied des Staatsrats in Preußen gegen die Judenemanzipation einsetzte. „Beuths Haltung ist dabei im zeitgenössischen ableitbaren Spektrum möglicher Haltungen als konservativ und rigide judenfeindlich zu kennzeichnen“, schreiben die Gutachter.

Der Akademische Senat der Hochschule richtete eine Arbeitsgruppe ein und hielt Veranstaltungen zu dem Thema ab. Die Hochschule habe sich „uneingeschränkt den pluralistischen Prinzipien einer Zivilgesellschaft verschrieben“, heißt es auf der Homepage. Auf eine Umbenennung festlegen wollte und will sich Präsidentin Monika Gross aber nicht. „Für mich ist die interne Diskussion die erste Zielsetzung“, sagt Gross.

In diese Diskussion schaltete sich auch der ehemalige Präsident Reinhard Thümer ein, in dessen Amtszeit die Benennung der Hochschule nach Beuth fiel. In einer Stellungnahme zweifelt er an, dass die Rede vor der Deutschen Tischgesellschaft tatsächlich Beuth zuzuordnen sei. Es sei auch unklar, ob er diese überhaupt gehalten habe. Die bisherigen Belege dafür seien „keineswegs hinreichend für eine Klassifizierung Beuths als Antisemit“, schreibt Thümer – und heizt den Streit an der Hochschule damit kräftig an.

„Leugnen von Antisemitismus“

Achim Bühl, der Beuths Judenfeindlichkeit zum Thema machte und inzwischen in der Initiative für eine Umbenennung der Hochschule aktiv ist, bezeichnet Thümers Einlassung als grotesk. „Das ist Leugnen von Antisemitismus in seiner schärfsten Form.“ Auch wenn das Manuskript nicht Beuths Handschrift tragen würde, so stamme der Inhalt doch zweifelsfrei von ihm. Bühl glaubt, dass Thümer Persönliches antreibe. Schon während seiner Amtszeit habe es geradezu einen Beuth-Kult gegeben. „Er betrachtet eine mögliche Umbenennung als Zerstörung seines Lebenswerkes.“

Auch das Zentrum für Antisemitismusforschung nimmt zu Thümer Stellung – und bezeichnet es als „einigermaßen kurios“, wie der ehemalige Präsident versuche, „historisch weniger kenntnisreichen Personen Sand in die Augen zu streuen“. Beuth habe nach gesichertem Kenntnisstand die besagte Rede vor der Deutschen Tischgesellschaft gehalten und habe sich auch bei anderen Gelegenheiten judenfeindlich geäußert. „Wie so oft scheint auch hier der Wille dominant zu sein, unangenehme Tatsachen über historische Personen nicht wahrnehmen zu wollen.“

Dass die Hochschule tatsächlich den Namen wechselt, ist längst nicht sicher

Trotz der Polarisierung in der Debatte will sich die Präsidentin weiterhin nicht festlegen. „Heutzutage wird schnell der Stab über Menschen gebrochen“, so Gross. Man müsse schauen, ob die Antisemitismusvorwürfe stimmten oder nicht. „Ich als Biologin kann nicht beurteilen, ob die Rede vor der Deutschen Tischgesellschaft von Beuth ist.“ Alle Hochschulmitglieder sollten die Chance haben, sich zu informieren, das sei ihr Ziel. Deshalb werde es vom Symposium auch einen Livestream geben.

Bühl wirft Gross vor, die Diskussion nicht neutral zu moderieren. Die Initiative sei bei der Vorbereitung des Symposiums nicht beteiligt worden. „Wir bekommen auch bei der Diskussion um eine Umbenennung keinen Platz auf dem Podium.“ Thümer sei aber dabei. In diesem Punkt gab die Präsidentin kurzfristig nach: Am Mittwoch teilte sie mit, dass die Initiative nun doch aufs Podium darf.

Trotz all dem glaubt Bühl, dass eine Mehrheit gegen die Umbenennung ist. Das Interesse an dem Thema sei an der technisch orientierten Hochschule – jenseits der direkt Beteiligten – nicht groß. „Es gibt bei Lehrenden wie bei Studierenden eine enorme Arbeitsbelastung.“

Das bestätigt auch David Czycholl vom AStA. Es habe sich zwar inzwischen eine Initiative von Studierenden gegründet, die sich für einen neuen, schöneren Namen einsetze. Anderen werde die Diskussion zu viel. „Sie verstehen nicht, warum sie sich damit auseinandersetzen sollen.“ Nach Thümers Einlassung wüssten viele auch nicht mehr, wem sie glauben sollten, das habe die Debatte weiter entpolitisiert.

Die Hochschulleitung will Ende Januar eine Umfrage unter Studierenden und Mitarbeitenden durchführen. Zu einer Entscheidung über den Namen komme es aber erst später, so Monika Gross. Sie wird dann nicht mehr Präsidentin sein: Im September endet ihre zweite Amtszeit, eine Wiederwahl ist laut Grundordnung der Hochschule nicht möglich.

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