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Antisemitischer Anschlag in AustralienDie anderen Helden von Sydney

Nicht nur der Händler Ahmed al-Ahmed hat versucht, die Täter vom Bondi Beach in Australien zu stoppen. Drei weitere Menschen wagten es – und wurden erschossen.

Trauer am Bondi Beach: Unweit des Tatorts wurden Blumen abgelegt und Kerzen aufgestellt Foto: Hollie Adams/reuters
Gereon Asmuth

Aus Berlin

Gereon Asmuth

Bei dem antisemitischen Anschlag in Sydney am Sonntag haben sich weitaus mehr Menschen den Attentätern in den Weg gestellt als bisher bekannt. Neben dem bereits bekannten Händler Ahmed al-Ahmed, der schwer verletzt ins Krankenhaus kam und inzwischen sogar von Premierminister Anthony Albanese besucht wurde, haben auch noch ein jüdisches Ehepaar und ein weiterer Mann versucht, die beiden Schützen zu stoppen. Alle drei kamen dabei aber offenbar ums Leben.

Nach Berichten australischer Medien war ein jüdisches Ehepaar gleich zu Beginn der Attacke am Bondi Beach in Sydney einem der Attentäter in den Arm gefallen. Ein Video von dem Vorfall, das von der Dashcam eines vorbeifahrenden Autos aufgezeichnet wurde, wird derzeit viel auf Social Media geteilt.

Auch die BBC zeigt die Szene in einem Bericht. Die Nachrichtenagentur Reuters hat das Video als echt verifiziert. Darin ist zu sehen, wie der 69-jährige Boris Gurman auf einem Bürgersteig einem der schießenden Männer dessen Gewehr entreißt. Beide stürzen zwischen parkende Autos auf die Straße. Mit einem dieser Autos sollen die Attentäter zuvor angereist sein.

IS-Flagge an der Windschutzscheibe

Auf der Windschutzscheibe ist ein Symbol zu erkennen, bei dem es sich laut Medienbericht um das Logo des „Islamischen Staates“ handeln soll. Die Attentäter waren erst im November auf die Südphilippinen gereist, wo die IS-Terrormiliz aktiv ist.

Als sich die beiden Männer wieder aufrappeln, ist zu sehen, dass Gurman die Langwaffe des Attentäters in der Hand hält. Der hatte aber offenbar noch eine weitere Waffe, mit der er Boris Gurman und seine ihn begleitende Frau Sofia (61) dann erschoss.

Der Mann „am Straßenrand lief nicht weg“, zitiert Reuters die Augenzeugin, von der auch das Dashcam-Video stammt. Stattdessen sei er direkt auf die Gefahr zugegangen und habe all seine Kraft genutzt, um die Waffe zu erringen. Nach Angaben des Sydney Morning Herald waren Boris und Sofia Gurman die beiden ersten Opfer der Attentäter. Laut übereinstimmenden Medienberichten hatten sie seit mehr als drei Jahrzehnten in Bondi gelebt.

Das Standbild aus dem Video zeigt Boris Gurman (rechts), der dem Attentäter (links am Boden) gerade die Waffe entrissen hat Foto: Jenny/via Reuters

Die Szene spielte sich nur wenige Meter entfernt von der Brücke ab, von der die beiden Attentäter dann auf die Be­su­che­r:in­nen des Chanukka-Festes an dem weltbekannten Strand schossen. Insgesamt haben Vater und Sohn 15 Menschen getötet. Einer der beiden Attentäter wurde offenbar von der Polizei getötet, der andere schwer verletzt. Gegen ihn wurde mittlerweile Mordanklage erhoben.

Steinwürfe gegen den Schützen

Ein anderes Video, das bereits am Sonntag unmittelbar nach dem Anschlag weltweit geteilt wurde, hatte gezeigt, wie der Händler Ahmed al-Ahmed einem der Attentäter auf der anderen Seite der Brücke das Gewehr entreißen konnte. Am Ende der kurzen Videosequenz war ein Mann zu sehen, der dem weglaufenden Attentäter Steine oder andere Gegenstände hinterherwarf, um ihn von weiteren Schüssen abzuhalten. Dabei handelte es sich nach Angaben seiner Tochter um den 62-jährige Reuven Morrison. Auch er wurde im Laufe des Anschlags erschossen.

Laut dem australischen TV-Sender ABC war Morrison in den 1970er Jahren als Teenager aus der Sowjetunion nach Australien ausgewandert. In einem Interview mit dem Sender hatte er im vergangenen Jahr erzählt, dass er Antisemitismus schon in der Sowjetunion erlebt habe. „Wir sind hierhergekommen mit der Ansicht, dass Australien das sicherste Land der Welt ist und die Juden in Zukunft nicht mit einem solchen Antisemitismus konfrontiert werden“, sagte er damals dem Sender.

Die mutigen Taten der vier wurden in den sozialen Medien und in den Nachrichten vielfach als Beispiele dafür angeführt, was es bedeutet, Australier zu sein. „Als er das tat, dachte er überhaupt nicht an den Hintergrund der Menschen, die er rettete, der Menschen, die auf der Straße starben“, sagte Mohamed Fateh al-Ahmed über seinen Sohn. „Er macht keinen Unterschied zwischen den Nationalitäten, und hier in Australien gibt es keinen Unterschied zwischen den Bürgern.“

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