Antisemitische Fußballfans: Schmähgesänge gegen „Judenverein“
154 Fußballfans sind in Amsterdam wegen antisemitischer Gesänge festgenommen worden. Dahinter steht ein strukturelles Problem in den Niederlanden.
Das Antisemitismusproblem des niederländischen Fußballs ist seit Samstagabend in aller Munde. Internationale Medien berichten über den Eklat von Amsterdam, wo 154 Fans des Spitzenklubs AZ aus Alkmaar festgenommen wurden, nachdem sie, wie es heißt, „antisemitische Lieder“ gesungen hätten. Kurz vor der Johan-Cruijff-Arena, dem Stadion des Gegners Ajax Amsterdam, ließ die Polizei die Metro, in der sie unterwegs waren, nach mehreren Warnungen stoppen. Alle singenden Fans wurden wegen Beleidigen einer Bevölkerungsgruppe verhaftet.
Bis auf elf von ihnen, denen auch Vandalismus vorgeworfen wird und die die Nacht in der Zelle verbringen mussten, wurden sie kurz danach wieder freigelassen. Die niederländische Polizei ermittelt freilich weiter. Eddo Verdoner, der von der Regierung angestellte Koordinator zur Antisemitismusbekämpfung, spricht von einem „wichtigen Signal“ dafür, dass es Zeit sei, dass massenhaft geäußerte antisemitische Beleidigungen nicht mehr straffrei bleiben. „Es dringt zu den Leuten durch, dass das nicht mehr geht. Man sieht einen Umschwung, dass sich nun endlich etwas verändert“, zitierte der öffentlich-rechtliche Sender NOS Verdoner.
Seine Worte weisen freilich auf ein strukturelles Problem der niederländischen Fanszene hin: Vorfälle wie der nun in aller Welt bekannte finden in der Ehrendivision an so gut wie jedem Spieltag statt – und zwar immer dort, wo der erfolgreichste Klub des Landes, Ajax Amsterdam, jeweils antritt. Die Supporters von Feyenoord Rotterdam, mit Ajax in einer tiefen wechselseitigen Feindschaft verbunden, haben sich diesbezüglich eine ganz besondere Reputation erarbeitet.
De facto aber gehört es zur Folklore, dass Fans des jeweiligen Ajax-Gegners den vermeintlich jüdischen Klub mit den gröbsten antisemitischen Beleidigungen überziehen. Kritik daran wird reflexhaft mit der Bemerkung gekontert, man habe selbstverständlich nichts gegen „echte Jüd:innen“, nur gegen den verhassten Kontrahenten.
„Wir gehen auf ‚Judenjagd‘“
„Mein Vater war bei den Kommandos, meine Mutter bei der SS. Zusammen verbrannten sie Juden, denn Juden brennen am besten“, erklang es Samstag in der Metro. Zum Standardrepertoire gehört auch die Parole „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“, die in den letzten Jahren aus den Kurven ihren Weg auf zahlreiche militante antiisraelische Demonstrationen gefunden hat. Auch Zischgeräusche, die ausströmendes Gas imitieren sollen, erfreuen sich großer Beliebtheit oder Reime wie „Adolf, hier laufen noch elf. Wenn du es nicht tust, tun wir es selbst!“.
Lex Immers feierte 2011 als Spieler von ADO Den Haag einen überraschenden Sieg gegen Ajax, indem er im Vereinsheim „Wir gehen auf Judenjagd“ skandierte. Die begeisterten Fans fielen johlend ein. Frischer in Erinnerung ist ein Vorfall aus 2021, als in Rotterdam nach dem Wechsel von Feyenoord-Star Steven Berghuis zu Ajax ein Wandgemälde entdeckt wurde. Es zeigte Berghuis mit Hakennase und Kippa, in KZ-Kleidung mit Judenstern, dazu der Schriftzug „Juden laufen immer weg“.
Ajax Amsterdam, dessen früheres Stadion in der Nähe des einstigen jüdischen Viertels der Stadt lag, war nie ein jüdischer Klub, hatte allerdings viele jüdische Fans und gelegentlich auch Funktionäre und Spieler. Dass Teile der Fans sich selbst Superjoden nennen und gerne Israel-Flaggen schwenken, hindert sie freilich nicht daran, bei Spielen gegen Feyenoord die Zerstörung Rotterdams durch die deutsche Luftwaffe am 14.Mai 1940 zu besingen. Ein weiterer beliebter Ajax-Chant im Frage-Antwort-Stil zeugt von besonders schlechter Kenntnis der eigenen Stadtgeschichte und ihrer jahrhundertelangen jüdischen Prägung: „Wo kommen Juden noch mal her?“– „Israel, weit weg von hier.“
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