Antisemitische Ausfälle von Le Pen: „Wir machen einen Ofen voll“
Er macht „Witze“ über die nächste Shoah und bezeichnet Yannik Noah als „Schwein“. Erstmals distanziert sich nun auch Tochter Marine von Jean-Marie Le Pen.
PARIS taz | Der jüdische Schauspieler und Sänger Patrick Bruel ist vom jüngsten antisemitischen Geifern des Front-National-Gründers Jean-Marie Le Pen angewidert. Zugleich fühlt er sich bestätigt: „Hatte der es nötig, uns sein wahres Gesicht und das des FN in Erinnerung zu rufen?“
Das war eine rhetorische Frage. Der fast 86-jährige Le Pen, der mehrfach wegen rassistischer und antisemitischer Bemerkungen verurteilt worden war, kann es nicht lassen. In seiner wöchentlichen Videobotschaft an die FN-Basis griff er Kritiker aus dem Showbiz an: Madonna, Yannick Noah und den Humoristen Guy Bedos. Beim Angriff auf Patrick Bruel, der gesagt hatte, er werde nicht in den seit den Kommunalwahlen vom FN regierten Städten auftreten, meinte Le Pen besonders originell zu sein als er sagte: „Das nächste Mal machen wir einen Ofen voll.“
Diese Anspielung auf eine nächste Shoah und auf die Verbrennungsöfen der Nazis konnte nicht überhört werden. Wie jedes Mal, wenn Le Pen mit rassistischen „Witzen“ seine widerliche Gesinnung offenbart, beschwert er sich darüber, man lege seine Worte falsch aus, um ihm zu schaden. Wie immer streitet er jegliche antisemitische Bedeutung seiner Worte ab. Dennoch wurde die fragliche Video-Sequenz ist sofort vom FN gelöscht.
Neu ist, dass Kritik an Le Pens unsäglichen „Ausrutschern“ nun auch aus den eigenen Reihen kommt. Der Abgeordnete Gilbert Collard empfahl dem Parteigründer, wie der König von Spanien, abzudanken. Erstmals distanzierte sich auch Marine Le Pen. Ein „politischer Fehler“ sei zwar nicht Le Pens Äußerung an sich, sondern der Mangel an Vorsicht und Antizipation: Ihr Vater hätte wissen müssen, dass er (und der FN) wegen solcher Formulierungen angegriffen würden.
Marine Le Pen kommt die Debatte ungelegen, da sie derzeit im EU-Parlament noch Alliierte zur Bildung einer Fraktion sucht. Einige der rechtspopulistischen Parteien fühlen sich, wie UKIP, gerade vom antisemitischen Erbe des FN abgeschreckt. Der FN-Chefin, die ihre Partei in Frankreich und in Europa mit ihrer „Entdiabolisierungsstrategie“ salonfähig machen will, ist die Bevormundung durch den väterlichen FN-"Ehrenpräsidenten" darum langsam lästig.
Zugleich aber erkennt Marine Le Pen auch den taktischen Vorteil, den sie aus der Abgrenzung von ihrem Vater ziehen kann: „Diese Polemik erlaubt mir zu bekräftigen, dass der FN jede Form von Antisemitismus in aller Entschiedenheit verurteilt.“ Die extreme Rechte in Frankreich hat einiges von der Dialektik in der Politik gelernt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen