Antimilitaristische Ausstellung: Ein Museum gegen den Krieg und das Töten
Das Anti-Kriegs-Museum in Wedding feiert sein hundertjähriges Bestehen. Das Museum will vor einem eines: Vom Krieg abschrecken.

Im Jahr 1982 eröffnete der mittlerweile pensionierte Lehrer Tommy Spree mit Freund*innen aus der Friedensbewegung das Museum – zunächst in Kreuzberg, seit 1988 ist es in der kleinen Ladenwohnung in Wedding untergebracht. Doch die Geschichte des Museums reicht viel weiter zurück. Bereits vor 100 Jahren gründete Sprees Großvater Ernst Friedrich das weltweit erste Anti-Kriegs-Museum in der Parochialstraße in Mitte.
Der Anarchist und Antimilitarist wollte den Schrecken des Ersten Weltkriegs dokumentieren und die Menschen aufrütteln. „Mit einem Eimer von Mörtel und zehn Ziegelsteinen fing ich an. Mehr Geld hatte ich nicht. Dafür umso mehr Ideen“, wird Friedrich in einem 1935 erschienenen Text zitiert.
Exponate von damals sind auch heute noch im Museum ausgestellt. Neben einer Gasmaske sind dort Bilder von Soldaten zu sehen, die schwerste Gesichtsverletzungen davon getragen haben. Auf weiteren Fotos sind Leichenberge abgebildet, schwer verletzte und verstümmelte Soldaten.
Von den Nazis verfolgt
Als Kritiker von Militarismus und Nationalismus stand Friedrich schon früh im Visier der Nazis. Am 28. Februar 1933 besetzten sie das Anti-Kriegs-Museum und verwandelten es in ein sogenanntes Sturmlokal der SA. Im Keller wurden Nazigegner*innen misshandelt. Friedrich wurde verhaftet und gefoltert, konnte aber entkommen. Im Brüsseler Exil eröffnete er erneut ein Anti-Kriegs-Museum, bis er wieder vor den Nazis fliehen musste. Bis zu seinem Tod 1967 in Paris setzte Friedrich sich für Frieden und Abrüstung ein.
In diesem Sinne baute sein im britischen Exil geborener Enkel Tommy Spree das Anti-Kriegs-Museum wieder auf. Spree, seit vielen Jahren SPD-Mitglied, ist auch heute überzeugt, dass die Menschen lernen müssen, ihre politischen Konflikte ohne Krieg zu lösen. „Mittlerweile kommen mehr Besucher*innen in das Museum, weil sie die Bilder des Kriegs in der Ukraine oder dem Nahen Osten nicht mehr aushalten“, erzählt Spree der taz. Auch Soldat*innen seien unter den Besucher*innen.
Besonders beeindruckt seien die Gäste vom originalgetreuen Luftschutzkeller. Vor allem junge Menschen hielten es oft nicht lange in dem Raum aus. Manche bekämen sogar regelrecht Panik, berichtet Tommy Spree.
Schon Ernst Friedrich wollte mit seinem Museum vor allem warnen, wenn nicht gar abschrecken. Für Soldat*innen und Polizist*innen war der Eintritt gratis. Alle anderen mussten 20 Pfennig zahlen. Heute ist der Besuch des Anti-Kriegs-Museums für alle kostenlos.
Am 1. Oktober will das Museum sein 100. Gründungsjubiläum feiern. Bernd Drücke, Redakteur der gewaltfrei-anarchistischen Monatszeitung Graswurzelrevolution, betont gegenüber der taz die Bedeutung des Museums: Er selbst sei als 15-Jähriger durch die Fotos von Ernst Friedrich politisiert worden. „Und dass heute die Verwendung der damals von Ernst Friedrich und Kurt Tucholsky verbreiteten Parole ‚Krieg dem Kriege‘ von der Staatsanwaltschaft herangezogen wird, um das antimilitaristische ‚Rheinmetall entwaffnen!‘-Camp in Köln zu verbieten, zeigt, wie krass die Remilitarisierung voranschreitet.“
An die Gründung erinnert auch der Kurzfilm „100 Jahre Anti-Kriegs-Museum“. Er wird im Rahmen der Langen Nacht der Museen am 30. August 2025 ab 18 Uhr in dem Museum in der Brüsseler Straße 21 gezeigt.
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