Antikriegsvideo von „Save the Children“: Sekundenweise in die Zerstörung
Wie fühlt es sich an, wenn das Leben Tag für Tag in den Krieg abgleitet? Mit einem beeindruckenden Werbevideo hat das eine NGO nachgestellt.
BERLIN taz | Es ist ein Video, wie es sie zu Hunderten im Netz gibt: Eltern mit zu viel Zeit nehmen ihre Kinder auf, ein Bild pro Tag. Als Video zusammengeschnitten sieht man, wie Kinder so aufwachsen und wie sie sich in einem Jahr verändern. So auch bei diesem Video: Die Protagonistin ist ein hübsches, blauäugiges Mädchen, das den achten Geburtstag feiert, umringt von Eltern und Freunden.
Das Mädchen probiert Lippenstift aus, wird von ihrer Großmutter in die Wange gekniffen und auf dem Schulhof von einem Jungen auf die Wange geküsst. Szenen einer glücklichen Kindheit in einem britischen Vorstadtgebiet.
So weit, so bekannt. Es ist ein „Eine Sekunde pro Tag“-Video, wie es sie massenhaft gibt, würde der Titel nicht behaupten, es sei das „schockierendste“ dieser Gattung. Und ab Sekunde 30 wird es auch langsam etwas unbehaglich: Das Mädchen verfolgt ein Pfeifen am Himmel, die Eltern packen gehetzt das Auto, im Fernsehen ist von „Luftangriffen“ die Rede.
Es ist eine feine Dramaturgie, die die Verwandlung einer glücklichen, bürgerlichen Kindheit in die Zerrüttung des Krieges darstellt. Mit ein wenig Fantasie können die Ereignisse zwischen den einzelnen Szenen einfach dazugedacht werden.
Empfohlener externer Inhalt
Dass die Protagonistin aus einer wohlhabenden Familie kommt, die mit einem Auto fliehen kann und dabei den Teddy nicht vergisst, ist natürlich kein Zufall, denn das Video ist Werbung. Werbung für „Save the Children“ in Großbritannien. „Nur weil es nicht hier passiert, bedeutet es nicht, dass es nicht passiert“, heißt es in der eingeblendeten Werbezeile – und unter dem Video der Verweis auf die Spendenseite.
Zum Schluss ist der Krieg wohl vorbei: Das Mädchen sitzt mit leerem Blick auf einem Krankenhausbett da, der Vater und ihre Freunde sind verschwunden, auf dem improvisierten Kuchen ist nur eine Kerze. Ihre Mutter, ebenfalls im Patientinnenhemd, singt leise „Happy Birthday“.
Update 08.03.: Nach einem Hinweis aus den Kommentarspalten wurde der letzte Absatz korrigiert. Die Frau in der letzten Szene ist keine Krankenpflegerin sondern die Mutter des Mädchens.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid