Antifeminismus im italienischen Netz: Frauenhass? Gefällt mir!
In Italien mehren sich Webseiten mit frauenfeindlichen Inhalten – vor allem auf Facebook. Das Online-Netzwerk unternimmt nichts dagegen.
„Diese Gruppe distanziert sich vom aktuellen, radikalen Feminismus oder „Nazi-Feminismus", der sich im aktuellen, abnormen gesellschaftlichen Diskurs vollzieht. Die Diskussion in dieser Gruppe ist offen für alle, innerhalb der Grenzen des Anstandes und des Strafgesetzbuches.“ Für allgemeine Informationen solle man sich doch bitte dieses Video mit dem vielsagenden Titel „Scheidung macht frei“ anschauen, fordert die Facebook-Gruppe, die bereits am 1. März 2008 gegründet wurde.
Die italienische Gruppe mit dem Namen „Nein der Gewalt gegen Frauen“, ist das Flaggschiff einer Bewegung im Netz, welche systematisch Frauenrechte auszuhöhlen versucht. Zwar handelt es sich bislang um ein italienisches Phänomen, Nachahmer finden sich aber auch schon in Deutschland.
Im italienischen Netz stößt man derzeit auf zahlreiche Seiten wie Centriantiviolenza.com oder Movimentoperlinfanzia.com. Sie gehen alle nach dem gleichen Muster vor: Durch ihren Namen - in genannten Fällen „Antigewaltzentren“ und „Bewegung für die Kindheit“ – und oft auch durch ihre Machart versuchen sie, bereits bestehende Internetseiten zu imitieren.
Während aber die Originalseiten sich tatsächlich für die Belange von Frauen einsetzen und zum Beispiel Informationen über Frauenhäuser bereitstellen, versuchen die misogynen Kopien im schlimmsten Fall darzulegen, dass Frauenhäuser voll von „Nazis“, „Pädophilen“ oder „Verleumdern“ seien.
Frauenfeindlichkeit und Geschichtsrevisionismus
„Was diese Internetseiten vereint, ist die Negation der real existierenden Gewalt an Frauen, die Überhöhung von tendenziösen Berichten und eine Form des Geschichtsrevisionismus“, schrieb unlängst die italienische Journalistin Ilaria Lonigro in einem Artikel über das Netzphänomen für die Tageszeitung Il Fatto Quotidiano.
Erstaunlich ist, dass die „erfolgreichste“ und offenkundig frauenfeindliche Facebook-Gruppe „Nein der Gewalt gegen Frauen“ so viele Fans hat. Inzwischen zählt die Seite über 460.000 Freunde. Dabei finden sich unter den tendenziösen Artikeln regelmäßig solche mit Titeln wie „Feministin wegen Genozid verurteilt“, oder „Frau tobt sich in Diskothek aus, vergisst ihre Kinder und lügt dann: Ich wurde vergewaltigt“.
Auch unter den Favoriten der Gruppe finden sich zahlreiche andere frauenfeindliche Facebook-Gruppen. Dennoch befand Facebook Italien, dass die Gruppe nicht die Nutzungsbedingungen des Unternehmens verletze, und daher nicht zu beanstanden sei. Die Nutzer hätten lediglich die Möglichkeit einzelne Kommentare zu melden. Eine Sprecherin von Facebook Deutschland wollte sich nicht zu dem Fall äußern und verwies auf die italienischen Kollegen.
Falsche Profile
Die echte Facebook-Gruppe mit dem Namen „Nein der Gewalt gegen Frauen“ hat lediglich rund 17.000 Freunde. Sie distanziert sich von den frauenfeindlichen Imitatoren: „Wir finden die Trennung zwischen Frauen und Feministinnen genauso kriminell, wie auch die erfundenen Begriffe, mit denen gegen Feministinnen gehetzt wird.“ Die Gruppe geht davon aus, dass sich hinter der Bewegung eine neue Form des Machismus versteckt, der seine Wurzeln in den USA haben soll.
Die Aktivisten der authentischen Gruppe „Nein der Gewalt gegen Frauen“, haben auf ihrem Blog versucht zu erklären, weshalb ihr Namensvetter, trotz frauenfeindlicher Inhalte, so viele Freunde hat. Dahinter steckten ihrer Meinung nach durchdachte Marketingstrategien.
So würden die Betreiber der Gruppe falsche Profile erstellen. Damit würden Facebook-Nutzer direkt angeschrieben und aufgefordert Mitglieder der Gruppe zu werden. Jene, die bereits Mitglieder der Gruppe seien, würden regelmäßig angehalten, Freunde in die Gruppe einzuladen.
Diskriminierung auch in Deutschland
In Deutschland finden sich keine Facebook-Gruppen mit offenkundig frauenfeindlichen Inhalten. Allerdings finden sich auf der Seite bloganddiscussion.com mehrere frauenfeindliche Internetseiten. So zum Beispiel die Seite „Frauenhaus – Von Frauen. Für Frauen“. Ein nach eigenem Bekunden „nicht-religiöser, weltanschaulicher, Anti-sozialistischer, evolutionsphilosophischer Mitte-links Ratgeber zur häuslichen Gewalt, Rolle der modernen Frau und Vereinbarkeit von Beruf und Familie“.
Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien bestätigte auf Anfrage, dass gegen die Betreiber der Seite ein Prüfverfahren laufe. „Das Thema Frauendiskriminierung ist für die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien grundsätzlich nicht neu, da beispielsweise in Raptexten (Genre Porno-Rap oder Gangster-Rap) häufig frauenfeindliche Aussagen getätigt werden. Auch Websites, in denen Frauen sexuell gedemütigt werden, waren hier schon mehrmals Gegenstand von Prüfverfahren“, teilte Petra Meier von der Bundesprüfstelle mit.
In Italien hat sich derweil eine Facebook-Gruppe mit dem Namen „Facebook favorisiert das Cyber-Mobbing gegen Frauen“ gegründet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen