Anti-Terror-Gesetze: Friedrich will "befristete Verlängerung"
Dieses Jahr jährt sich der Terroranschlag auf das World-Trade-Center zum zehnten Mal. Nun streiten Union und FDP über die so genannten "Otto-Kataloge". Sollen sie verlängert werden?
BERLIN dpa | Bei den Streitthemen in der Inneren Sicherheit kamen Union und FDP zuletzt kaum voran. Die Liberalen waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Nach dem Rostocker FDP-Parteitag dürfte es aber wieder richtig zur Sache gehen. Die Union drückt nun bei den Anti-Terror-Gesetzen aufs Tempo.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich sagte nun, er halte eine befristete Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze für möglich. "Die FDP hat sich da klar positioniert, und ich denke, das ist ein Punkt, wo man ihr entgegenkommen kann", sagte der CSU-Politiker am Montag im Deutschlandfunk. Es komme jedoch darauf an, inwieweit FDP und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) auch inhaltlich mitgingen.
Einige Gesetze laufen Anfang 2012 aus, wenn die Koalition nicht handelt. Damit der Bundesrat allerspätestens Ende Dezember über sie abstimmen kann, will die Union das Thema am liebsten noch im Mai, auf jeden Fall aber vor der Sommerpause ins Kabinett bringen. Die Liberalen winden sich - noch.
Auf dem Verhandlungstisch liegen die "Otto-Kataloge" – benannt nach Ex-Innenminister Otto Schily (SPD). Die rot-grüne Regierung hatte sie nach den Terroranschlägen von 2001 beschlossen. In der Eile wurden sie sicherheitshalber befristet. Es geht um Auskünfte, die Bundesverfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst von Fluglinien, Banken, Kreditinstituten, Postdienstleistern und Telekommunikationsfirmen verlangen können.
"Schwerwiegende Konsequenzen"
Die Verfechter fürchten "schwerwiegende Konsequenzen", wenn die Befugnisse im nächsten Jahr wegfallen sollten. "Ohne Auskünfte von Luftfahrtunternehmen werden wir die Reisebewegungen nur schwer erkennen können", gibt ein ranghoher Sicherheitsexperte ein Beispiel zur Bedeutung der Normen. Generell geht es den Geheimdiensten darum, mit Hilfe der Auskünfte Netzwerke möglicher Terroristen zu erkennen.
Auch bei drei Terrorverdächtigen, die am 29. April in Nordrhein-Westfalen festgenommen wurden, hätten die Anti-Terror-Befugnisse eine Rolle gespielt, argumentieren die Befürworter. Sie weisen den Vorwurf zurück, dass sie mit der Verlängerung eine Verschärfung planten. "Die einzige Verschärfung, die gefordert wird, ist, dass man auf eine weitere Evaluierung verzichtet", heißt es. Die Gesetze sollen nach Auffassung der Unionsseite möglichst unbefristet weiterlaufen.
FDP: Auf manche Gesetze kann man ganz verzichten
Die FDP sieht das ganz anders. Die Gesetze müssten in jedem Einzelfall kritisch überprüft werden, sagt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). "Die Nachrichtendienste sind in Deutschland derart umfassend ausgestattet worden, dass die Wahrscheinlichkeit gestiegen ist, immer mehr unbescholtene Bürger ins Visier der Dienste geraten zu lassen." Die Liberalen argumentieren, dass einige Befugnisse gar nicht oder ganz selten gebraucht wurden – auf sie könne man ganz verzichten.
Was eine "Verschärfung" wäre und was nicht, ist auch Interpretationssache. Manche Stellen beantworten die Anfragen der Nachrichtendienste nicht. Ihnen soll künftig ein Bußgeld drohen. Zudem will die Union erreichen, dass die Nachrichtendienste Auskünfte zu Flügen und zu Bankdaten bei zentralen Stellen abfragen dürfen. Dann müssten nicht mehr alle infrage kommenden Airlines oder Banken angemorst werden. Die Union argumentiert, dass damit auch der Kreis, der erfährt, dass jemand im Visier der Nachrichtendienste ist, kleiner wird. Auch ist eine stärkere Kontrolle der Maßnahmen durch die unabhängige G 10-Kommission des Bundestags geplant.
Keine gerichtliche Überprüfung der Auskunftsbitten
Denn der eingeschaltete externe Gutachter Heinrich Wolff von der Viadrina Universität in Frankfurt/Oder kritisiert insbesondere, dass das Kontrollorgan bislang in weiten Teilen außen vor bleibt und die Anordnungen "daher von keiner Stelle außerhalb der Nachrichtendienste und dem zuständigen Ministerium gesehen und kontrolliert werden können". Und: Obwohl die Auskunftsrechte seit dem Jahr 2002 bestehen und sie allein im Jahr 2009 Grundlage für mehr als hundert Anfragen gewesen seien, sei kein Fall bekannt, in dem es zu einer gerichtlichen Überprüfung der Auskunftsbitten gekommen wäre.
Union wie FDP nutzen das Thema, um ihr Profil zu schärfen. Die Union bedient ihr Klientel, das sich um die Sicherheit sorgt. Die Liberalen versuchen, sich weiter als Schützer der Grund- und Bürgerrechte zu profilieren. Insofern könnte beiden daran liegen, erst die Fetzen fliegen zu lassen, um sich dann doch zu einigen.
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