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Anti-Rechts-Aktivisten in JamelUnsensible Ermittlungen

Nach dem Brandanschlag überprüft die Polizei das Umfeld des Ehepaars Lohmeyer. Die Befragungen bringen das Paar in Misskredit.

Nur noch verkohlte Trümmer übrig: die Lohmeyers vor ihrer niedergebrannten Scheune. Foto: Jens Büttner/ dpa

Hamburg taz | Der Brandschutt in Jamel war schnell weggeräumt. Dort wo die 150 Jahre alte Scheune von Birgit und Horst Lohmeyer stand, ist nun ein Parkplatz. Die Ermittlungen wegen des Brandanschlags am 13. August laufen noch. Das Vorgehen der Polizei könnte nun aber rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen – für die Lohmeyers, wegen des Verdachtes der üblen Nachrede und falscher Verdächtigung.

Vor elf Jahren waren die Lohmeyers in den kleinen Ort gezogen, der in den Folgejahren von Rechtsextremen gezielt besiedelt wurde. Bewusst hatte sich das Künstlerehepaar entschieden, in dem „nationalsozialistischen Musterdorf“ zwischen Grevesmühlen und Wismar zu bleiben. Anfeindungen sind sie gewohnt. „Der Brandanschlag war aber eine neue Dimension des Hasses“, sagt Birgit Lohmeyer. Schnell hatten die Ermittler festgestellt, dass der Brand vorsätzlich gelegt worden war.

Die Polizei bat die Lohmeyers, alle ihre Kontakte der letzten 15 Jahre aufzuschreiben. An die 150 Namen kamen zusammen. „Wir fühlten uns da schon nicht wohl“, sagt Birgit Lohmeyer. „Später konkretisierten die Ermittler, dass sie eine Liste mit Personen von uns haben möchten, die uns nicht ganz wohl gesinnt seien könnten“, sagt sie weiter. Erneut folgten sie der Bitte der Polizei.

13 Personen schrieben sie auf, mit denen es mal Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte gegeben hatte. „Aber keinen verdächtigen wir, die Tat begangen zu haben“, sagt Birgit Lohmeyer. Die Liste wurde für die Polizei dennoch zur Verdächtigenliste.

Das Neonazi-Dorf

Die Lohmeyers leben im Forsthaus am Ende des Dorfes. Fast alle anderen Gebäude sollen Sven Krüger gehören, einem vorbestraften „Hammerskin“ und Ex-NPD-Kreisabgeordneten.

In der Ortsmitte stand bis 2011 ein Hinkelstein mit der Aufschrift „Dorfgemeinschaft Jamel – frei – sozial – national“. Ein Wegweiser zeigte den Weg nach Braunau, der Geburtsstadt Hitlers.

Auf dem Szeneportal „Mup­info“ warben die Betreiber 2012 für eine Soli-CD „Jamel scheißt auf den Förster“ für den damals inhaftierten Krüger – eine Anspielung auf das Festival „Jamel rockt den Förster“, das die Lohmeyers veranstalten.

Bei mehreren aufgelisteten Personen überprüfte die Kriminalpolizei Schwerin die Alibis für die Tatzeit. Die Landtagsabgeordnete der Linksfraktion, Simone Oldenburg, wurde per Telefon befragt. Sie dachte erst, es handele sich um einen Scherz. Auch Bernd Kolz, stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Gägelow, und Klaus Hagel, Schatzmeister des örtlichen Kulturvereins Kuso wurden befragt. Kolz ist aktiver Polizist, Hagel pensionierter Polizist.

Alle drei engagieren sich bei Kuso. Der Verein unterstützte zwei Jahre lang das bei den Lohmeyers stattfindende Anti-Rechts-Festival „Jamel rockt den Förster“. Bei dieser Zusammenarbeit kam es zu Unstimmigkeiten.

Einzelne Befragte haben jetzt Anwälte eingeschaltet. Die Polizeimaßnahme scheint auch die Staatsanwaltschaft Schwerin zu irritieren. Über die Anrufe will sie nicht informiert gewesen sein.

„Ich kann nachvollziehen, dass die Polizei in alle Richtungen ermittelt, dass auch unser Umfeld überprüft wird, das ist polizeiliche Routine“, sagt Birgit Lohmeyer. „Die Ermittlungen in dieser unsensiblen Art gefährden jetzt aber unser seit Jahrzehnten aufgebautes Netzwerk.“ Die Aufgeregtheit der Betroffenen versteht sie gut.

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4 Kommentare

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  • Dann wäre ja interessant, wie genau gleich es zu den Opfern der NSU-Mörder abläuft.

    In Mißkredit können die beiden aber kaum mehr kommen.

    Es entsteht eben ein rechtloser Raum wie bei der Mafiaherrschaft.

  • "Unsensibel[]"? Na, hoffentlich. Ich meine: Es könnte ja auch etwas ganz anderes stecken hinter dem Vorgehen der lokalen Polizei als nur die fehlende Sensibilität. Faulheit etwa, soziale Inkompetenz oder gar eine klammheimliche Nähe zu gewissen Nachbarn der Familie Lohmeyer. Auch das Bedürfnis, eine erhöhte Fluchtdistanz zu wahren. Der Volksmund nennt es Feigheit, glaube ich.

     

    Wie dem auch sei. Bemerkenswert finde ich es jedenfalls, wenn jemand, dem gerade seine Scheune abgefackelt wurde, den Polizisten Namenslisten schreibt, ohne darüber nachzudenken, was die wohl damit wollen könnten. Gehören eine Landtagsabgeordnete der Linksfraktion, ein stellvertretender Bürgermeister oder der Schatzmeister des örtlichen Kulturvereins überhaupt auf eine Liste, die im Zusammenhang mit einem Brandanschlag "erbeten" wird? Wenn ja, kann man die "Bitte" nicht auch ignorieren?

     

    "Die Aufgeregtheit der Betroffenen versteht sie gut", sagt Birgit Lohmeyer. Schon klar. Im Nachhinein, da ist das ja auch leicht. Ein wenig Vor-Sorge wär' vielleicht angebracht gewesen. Wer ganz allein in einem Dorf voll Neonazis wohnt, der hätte sich ja auch mal fragen können, wo eigentlich die Anderen sind. Und auch, warum.

  • Was genau ist denn da das Problem? Warum genau ist es unsensibel, wenn Personen telefonisch befragt werden? Und: wäre es sensibler, wenn Frau Oldenburg vorgeladen worden wäre?

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Hier scheint es mehr als offensichtlich: manche Behörden sind Teil des Problems, nicht Teil der Lösung. So ein Drecksstall gehört ausgemistet. Wo bleibt das Brandenburger Innenministerium? Oder sind da etwa auch... ???