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Anti-FDP-Demonstration in ErfurtProtest, der sich lohnt

Mitten in der Anti-FDP-Demo bricht Jubel aus: Thomas Kemmerich geht. Doch das Problem mit der AfD bleibt.

Vielleicht formiert sich gerade erst eine Protestkultur in Erfurt – Anti-FDP-Demo in Erfurt Foto: dpa/Sebastian Haak

Erfurt taz | „Antifaschismus bleibt Handarbeit und hat sich ausgezahlt“, freut sich Anna-Lena. Die Erfurter Studierende hat die Demonstration an diesem 8. Februar in der thüringischen Hauptstadt mit organisiert. „Wir sind fertig, aber glücklich! Vier Tage auf der Straße haben sich gelohnt“, fügt Kollege Marvin hinzu, ebenfalls Studierender. Kurz zuvor war bekannt geworden, dass FDP-Ministerpräsident Thomas Kemmerich sofort zurücktritt – und damit eine der Forderungen der Demonstration erfüllt.

Marvin und Anna-Lena wirken erschöpft. Der Organisationsaufwand der vergangenen Tage hat seine Spuren hinterlassen. Der Schock über die Wahl von Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten traf sie inmitten der Klausurenphase. Die beiden Studierenden hatten auch die Demonstration am Samstag in Erfurt mit auf die Beine gestellt. Diesmal sind Hunderte ihrem Aufruf gefolgt. Seit Mittwoch gibt es täglich Proteste in der Landeshauptstadt – und nicht nur dort. „Nach der Demo ist vor der Demo“, sagt Anna-Lena.

Auf die Fassungslosigkeit vieler folgte ein Gefühl der Wut und des Verrats. Der Blumenwurf der Linken-Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow vor dem neu gewählten Ministerpräsidenten wurde zum Symbol enttäuschter Bürger*innen. Bereits bei der Demonstration am Freitagabend hatten viele ihrerseits Blumen vor der Staatskanzlei abgeworfen.

Die Demos in Erfurt werden von einem breitem Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und Einzelpersonen sowie Verbänden getragen. Hellena Horst von den Omas gegen Rechts sieht den Zusammenschluss als zivilen Damm, der Schlimmeres verhindert habe. „Der Damm, das sind wir“, sagt sie. Er habe einen wesentlichen Teil zur Rücktrittserklärung beigetragen.

Josefine von der Naturfreundejugend findet deutliche Worte: Erfurt sei aktuell das „Herz des Faschismus“. Als umso wichtiger empfindet sie es, dass der Protest hier ansetzen und wahrgenommen werden müsse. Gerade deswegen kommt bei einigen Unverständnis über die Leute auf, die zuhause geblieben sind. Christoph von den Jusos vermutet einen politischen Verdruss und die Unfähigkeit, „den Ernst der Lage zu erkennen“.

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Der tägliche Einsatz ist kräftezehrend und unbequem, aber davon wolle man sich nicht entmutigen lassen. Ausgehend von der gemeinsamen Forderung „Gegen Kemmerich“ reicht das Spektrum bis zum hartgesottenen Kern der „Für Bodo“-Aktivist*innen.

Auch wenn viele das Gefühl haben, ein historisches Gewicht auf ihren Schultern zu tragen, hebt der Eindruck, tatsächlich etwas zu bewirken, bei einigen die Stimmung. Die Wahl scheint vielen Thüringer*innen Protest wieder dringlicher gemacht zu haben. Christoph hingegen bemängelt eine fehlende Protestkultur in Erfurt. Vielleicht formiert sich diese aber auch gerade erst.

Für den 15. Februar ist eine weitere große Demonstration in Vorbereitung, organisiert vom Bündnis „Unteilbar“. Heute wird aber erstmal gefeiert.

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19 Kommentare

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  • Kemmerich bleibt Ministerpräsident bis der Rest der Chaoten einen neuen wählt. Das hat die Linke in den letzten 4 Monaten nicht geschafft.



    Jetzt weiß die AfD wie sie jeden weiteren Wahlgang sabotieren kann.

  • Das sich ein Mann einer 5% Partei anmaßt Ministerpräsident zu werden ist kritikwürdig - ebenfalls der Umstand, dass man im Laufe der Legislaturperiode sehr wahrscheinlich auf Stimmen der AFD angewiesen wäre.



    Mich wundert jedoch, wo diese Protest bei der Wahl von Herrn Ramelow zum Ministerpräsidenten blieben. Immerhin ist dieser Mann in einer Partei, welche eidesstattlich versichert hat, Rechtsnachfolgerin einer Partei gewesen zu sein, die vor ein paar Jahrzehnten Millionen Menschen hinter einer Mauer einsperrte, sie bespitzelte und bei Fluchtversuch an der Grenze erschießen ließ!



    Weder die AFD noch die Linke darf aus moralischer Perspektive Ministerpräsidenten stellen!

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Schildbürger:

      Nichts verstanden - oder nur auf Rabbatz aus?

      Ihre örtliche VHS wird doch sicher einen Kurs anbieten, in dem Sie Ihre offensichtlichen Defizite deutscher Geschichte aufarbeiten können?

      Viel Erfolg dabei.

      Glückwunsch zum Nickname!

    • @Schildbürger:

      Natürlich ist die SED für die in der DDR begangenen Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Die sind jedoch VERGANGENHEIT.



      Die von den Faschisten innerhalb der AFD und ihr nahestehenden Kreisen begangenen Verbrechen und Menschenrechtsverlezungen (Halle ; Remigration etc) sind GEGENWART und ZUKUNFT:



      Eine Regiegierung Höcke wäre brandgefählich für viele Bürger Thüringens (



      Migrationshintergrund, LBTG, Linke ) etc



      Für wen war noch mal die Regierung Ramelow eine Gefahr?

      Ich hoffe ich habe den Unterschied zwischen AFD und PDS klar genug dargestellt

      • @Thomas Dreher:

        Genau genommen sind die AfD Erfolge auf den Umgang der SED mit Faschismus und Demokratie zurück zu führen. Faschismus in der DDR wurde dumm geleugnet. Man konnte dort keine Demokratie einüben, pflegte sich national im wörtlichen Sinne einzumauern, führt militaristisch an Jahrestagen Panzer spazieren , usw. usw. Nicht von ungefähr poppte stante pede der Rechtsextremismus nach 1989 aus ostdeutschen vorbereiteten Böden.

    • @Schildbürger:

      Es ist wie nach der Nazi-Zeit:

      Man muss in gewissem Maß die Menschen nehmen, die man hat.

      Die CDU wimmelte nur so von NSDAP-Mitgliedern - und? Dennoch gab und gibt es Regierungsverantwortung für sie.

      Und nein, gut finde ich das nicht. Auch ehemalige SED-Kader finde ich scheiße. Und es gibt Linke, die würde ich direkt niemals wählen. Dennoch kann man nur pragmatisch mit der Geschichte umgehen.

      Mal ganz persönlich: Tragischerweise bin ich mit einem Mann zusammen, dessen Eltern wirklich an den Sozialismus geglaubt haben. "Bonzen" würde ich dazu sagen. Aktive Mitglieder der SED. Meine Eltern hatten in der DDR immer wieder Stress mit der Stasi, mein Vater, Ingenieur, wurde beworben, hat es geschafft sich rauszuhalten. Meine Mutter hatte Pech und landete im Strafvollzug wegen einer Nichtigkeit.



      Die sogenannten Schwiegereltern sehen sich selten, meiden wirkliche Nähe und wissen beiderseits vom Schicksal der anderen. Wohlwollende Koexistenz würde ich das nennen. Ist halt so. Müssen wir mit leben. Es ist nicht nur schwarz und weiß.

      Ramelow ist Wossi, Gewerkschafter und Christ. So what? Die Linke in Thüringen hat starke Antifaschisten in ihren Reihen aber ich sehe keinen, der die demokratische Grundordnung in Frage stellt.

    • @Schildbürger:

      Das mit der SED ist über 30 Jahre her. Legt mal 'ne neue Platte auf.



      Und gegen Ramelows Amtsantritt 2014 gab es ja rituelle Demos mit CDU, FDP und AfDlern in trauter Dreisamkeit. Ging dann später teilweise in Pegida über.



      Ramelow ist langjähriger Gewerkschafter und eher eine Art Sozialdemokrat - mit über 60 Prozent Beliebtheit. Wer da noch das Zerrbild eines kommunistischen Teufelchen malt, dem ist nicht mehr zu helfen.



      Höcke dagegen ruft geradezu zum Bürgerkrieg auf: www.zeit.de/politi...-gewalt-faschismus

    • 7G
      75064 (Profil gelöscht)
      @Schildbürger:

      Ach Gottchen, nun wieder dieser heiße Scheiss!



      Die Ziele der Linkspartei sind weder Faschistoid noch postkommunistisch; die Ziele, die sie umzusetzen versuchen sind sozialer Natur; man kann das eine oder andere kritisieren aber eine Gefahr für die Demokratie sind sie nicht.



      Bei den AfDlern sieht dies ganz anders aus. Sie wollen ein anderes Land, wollen es sich von wem auch immer, zurückholen. Manche Menschen in unserem Land haben aus guten Gründen Angst vor einer Beteiligung dieser braunen Gesellen an der Macht.



      Und deshalb ist es mehr als unangemessen und im Übrigen leicht durchschaubar, da ständig Parallelen zu ziehen.



      Außerdem war Herr Ramelow bis vorgestern MP von Thüringen, ohne dass irgendetwas außergewöhnliches passiert wäre.

      • @75064 (Profil gelöscht):

        Natürlich ist die Linkspartei dies alles nicht. Das hat der Schildbürger auch nicht behauptet.



        Er hat nur heraus gestellt, dass die Linkspartei die Nachfolgepartei der SED ist, die ja, und das werden auch Sie nicht bestreiten wollen, für diversen, auch tödlichen Schmodder verantwortlich ist.

        • 7G
          75064 (Profil gelöscht)
          @Rudolf Fissner:

          Wenn Sie es in dem Sinne meinen, in dem Deutschland für die Taten des Deutschen Reichs verantwortlich ist, dann stimme ich Ihnen zu. So hat es Schildbürger jedoch, wie aus dem 2. und dem 3. Absatz hervorgeht, nicht gemeint.



          Nach seiner Theorie, dürfte man im Prinzip keinen Deutschen mehr zu irgendetwas wählen, da sie ja für die Nazigräuel verantwortlich sind.

      • @75064 (Profil gelöscht):

        Ich schließe mich Schildürger s Aussage an. Die Linke hat oft genug die DDR-Diktatur verharmlost. Sie sucht die Schuldigen der G20 Randale bei unserer Exekutive und hat oft genug von einem Roten Frühling für Deutschland gesprochen. Nicht zuletzt ist der sozialismus nur auf unbestimmte Zeit ausgesetzt (S.Wagenknecht). Nein Demokratisch kann man auch diese Partei nicht nennen.

        Die ganze Sache schadet unserer Demokratie.



        Auf der einen Seite kann eine Nicht demokratische Partei (Linke) unsern MP stellen. Das Linke Bündniss wäre dann aber regierungsunfähig da sie keine Mehrreit im Volk und Parlament haben. Die CDU und die FDP durfen keinen MP zur Wahl stellen, da er gewählt werden würde, mit Stimmen einen anderen nicht demokratischen Partei (AFD).

        Eigentlich sollte eine Wahl frei und geheim sein......



        Was ist mit unserer Demokratie los??

        • @CS1984:

          Bei der Linken handelt es sich schon seit Jahrzehnten nicht mehr um eine sozialistische, geschweige denn kommunistische Partei, bei der AFD hingegen, um eine eindeutig faschistische, das sollte jede/r bedenken.

        • @CS1984:

          Schreiben Sie das doch noch mal in Ruhe auf und dann tippen Sie es nochmal, ganz unaufgeregt. Vielleicht kommt dann auch ne Aussage dabei heraus.

        • 0G
          08391 (Profil gelöscht)
          @CS1984:

          Die AfD betreibt gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die Linkspartei nicht! Was ist daran so schwer zu verstehen?

      • 6G
        68514 (Profil gelöscht)
        @75064 (Profil gelöscht):

        Hier mal ein schönes Zitat von Michael Kretschmer, MP in Sachsen, als er die AfD abgekanzelt hat (in einer Talkrunde von Maybrit Illner im ZDF: „Diese Reden von der AfD, die ich im Deutschen Bundestag höre, sind in einem Maße faschistoid gewesen, dass mir Angst und bange wird und ich alles dafür tun werde, dass Sie nie in Verantwortung kommen werden.“

  • Und was macht die SPD derweil?

    Bleibt weiter in der Groko...

  • Mal so ne Frage nebenbei.



    Wo war eigentlich der Aufschrei als von der Leyen von den osteuropäischen "Rechtspopulisten" gewählt wurde?



    Hab noch nich so ganz verstanden, wieso jetzt so ein Fass aufgemacht wird.

  • ...der nächste Angriff von AfDP wird kommen...

    • @Der Alleswisser:

      ...der Kemmerich ist, bzw. wird also der Thüringer Strache...😎