Anstehender Coronaprotest: Jetzt wieder quer auf der Straße
Am Wochenende wollen die „Querdenker“ in Berlin auflaufen und damit einen „Sommer der Freiheit“ einläuten. Gegenprotest hat sich angekündigt.
Am Donnerstagmorgen bestätigte die Polizei der taz, zwei Versammlungen – eine am 31. Juli und eine am 1. August – aus dem Milieu an diesem Wochenende verboten zu haben. Welche Versammlungen betroffen sind, gab die Polizei nicht bekannt. Grund für das Verbot seien die negativen Erfahrungen aus den vergangenen Demonstrationen des Mileus.
Angemeldet sind nach Polizeiangaben 22.500 Teilnehmende, die Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus (MBR) geht dagegen lediglich von einer „vierstelligen Anzahl“ von Demonstrant:innen aus. Weitere Kundgebungen und Demonstrationen – darunter eine sogenannte Club Demo – sind für den Vortag angesetzt.
Der 1. August ist Jahrestag der ersten erfolgreichen bundesweiten Mobilisierung zu einer Großdemonstrationen durch die Szene der Coronaleugner:innen. An dem Tag waren nach Polizeiangaben 20.000 Menschen in Berlin erschienen. Demonstrierende missachteten zuhauf die Corona-Auflagen, es kam zu antisemitischen Zwischenfällen.
So trugen einzelne Teilnehmer:innen etwa sogenannte Judensterne mit der Aufschrift „ungeimpft“. Eine weitere Großdemo folgte am 29. August. Der Tag endete mit der Erstürmung der Treppen des Reichstagsgebäudes auch durch Personen des rechtsextremen Spektrums.
Zentraler Gegenprotest und Schutzraum Am Sonntag ab 11 Uhr an der Ebertstraße zwischen Behrenstraße bis Hannah-Arendt-Straße entlang des Denkmals für die ermordeten Juden Europas. Anmelderinnen sind die Omas gegen Rechts. Weitere Info auf: omasgegenrechts.berlin.
Weitere Gegenproteste Ein „Reptiloider Fahrradkorso“ soll am Sonntag um 14 Uhr am Rosa-Luxemburg-Platz starten. Zudem ist ein Gegenprotest-Rave „Geradedenken“ ab 14 Uhr nahe der Siegessäule angemeldet.
Mobilisierung setzt auf Nostalgie
An diese – von der Bewegung als Erfolge verbuchte – Ereignisse soll nun offenbar angeschlossen werden. In Mobilisierungsvideos werden mit dramatischer Musik unterlegte Szenen vergangener Demonstrationen gezeigt. „Nahezu täglich“ würde die „Szene-Prominenz“ in den sozialen Medien an die Ereignisse des vergangenen Jahres erinnern und für die Teilnahme am Wochenende werben, so die MBR.
Geplant gewesen sei außerdem eine „deutschlandweite Mobilisierungstour mit acht Bussen“. Letztlich organisiert worden sei aber nur ein einziger Bus, der am Freitag um 19 Uhr am Platz des 18. März ankommen soll.
Schon vor dem Verbot war es laut der Initiative Berlin gegen Nazis „sehr fraglich“, dass eine mit dem vergangenen Jahr vergleichbare Mobilisierung wiederholbar ist. Auch die MBR spricht von einer „Demonstrationsmüdigkeit“ und einer „geringeren Dynamik in der Mobilisierung“. Gänzlich verfehlen würde die „äußerst intensiv und professionell“ geführte Kampagne ihr Ziel jedoch nicht.
Mit einem möglichen Verbot hat die Initiative wohl bereits im Vorfeld gerechnet. So wurden Teilnehmende auf der Website aufgefordert, „mobil“ zu bleiben, um „flexibel auf ein Versammlungsverbot reagieren“ zu können. Für den Fall des nun eingetretenen Versammlungsverbots sei am Samstag, den 31. Juli ein Aufzug unter dem Motto „Gegen das willkürliche Verbot von Versammlungen – für Grundgesetz Artikel 8“ geplant. Wie viele Teilnehmende nach dem Verbot noch erscheinen werden, ist allerdings völlig unklar.
Widerstand kommt etwa von den Omas gegen Rechts. Gemeinsam mit dem Bündnis für ein weltoffenes und tolerantes Berlin, der Berliner Vereinigung der Antifaschist:innen (VVN-BdA) und der Initiative Aufstehen gegen Rassismus haben sie eine Gegenkundgebung für Sonntag ab 11 Uhr an der Ebertstraße entlang des Denkmals für die ermordeten Juden Europas angemeldet. In ihrem Aufruf heißt es unter anderem: „Wir werden dort stehen, wo sie vorbeilaufen – als Schutz für das Mahnmal und als Mahnung!“
Update: Dieser Artikel wurde am 29.07.2021 um 11:00 Uhr um das Verbot der Polizei von zwei Versammlungen im an diesem Wochenende im zweiten Absatz und um die möglichen Strategien der Querdenken-Bewegung, dennoch zu demonstrieren, im vorletzten Absatz ergänzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neuwahlen
Beunruhigende Aussichten
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Berichte über vorbereitetes Ampel-Aus
SPD wirft FDP „politischen Betrug“ vor
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Grünen-Parteitag in Wiesbaden
Grüne wählen neue Arbeiterführer