Mutmaßliche Bombenbauer: Das Gesicht des Terrors
Deutschlands Boulevardmedien greifen den Gerichten schon mal unter die Arme - und zeigen einen mutmaßlichen Attentäter. Ohne sein Gesicht unkenntlich zu machen.
Endlich: Der deutsche Terrorismus hat ein Gesicht. Leider nur eins. Seine beiden Mittäter hatten eine Mütze über - mutmaßliche Täter, um genau zu sein, aber, mal echt, der Kerl ist Konvertit UND Hartz-IV-Empfänger. Muss man da wirklich die gerichtliche Verurteilung abwarten?
Bild, tz, BZ und andere zeigen ihren Lesern die ungepixelte, balkenfreie Wahrheit. Die Deutsche Presseagentur, verteidigt sich einer der Fotoredakteure, habe, nachdem sie das Foto zunächst verfremdet herausgab, doch auch das Original hinterher geschickt. "In Anbetracht der Schwere der Tat hielten wir das für gerechtfertigt", so Monika Plhal vom dpa-Bilderdienst.
Gut, sein Ruf ist ruiniert, aber bei dem öffentlichen Interesse! Eventuell kann der Presserat eine Rüge aussprechen, die man abdrucken muss. Soll. Darf. Von Selbstverpflichtungen kann man sich auch selbst entbinden.
Falls es überhaupt zu einer Rüge kommt. "Unter diesen Umständen ist das ganz, ganz schwer", sagt Arno Weyand vom Presserat und verweist auf die Ziffer 8 des Pressekodex: "Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden." Also nichts zu befürchten? "Medienrechtlich zulässig", sagt Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalistenverbandes, "die Berichterstattung muss nur deutlich machen, dass es sich um einen Verdächtigen, nicht um einen Schuldigen handelt. Alles andere wäre eine Vorverurteilung."
Bild schreibt: Die Männer "wollten so viele Menschen wie möglich töten".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!