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Anschlag von DallasPolizei tötete verdächtigen Schützen

Während einer Demonstration in Dallas wurden fünf Beamte erschossen. Die Polizei setzte einen Roboter ein, um den mutmaßlichen Täter auszuschalten.

Keine Filmszene, sondern bittere Realität in Dallas Foto: ap

Dallas/Washington ap/afp/dpa/rtr | Nach den tödlichen Schüssen auf fünf Polizisten in der US-Stadt Dallas hat der später getötete Verdächtige nach Angaben der Polizei gesagt, er habe Weiße umbringen wollen. Der Mann hatte sich nach den Schüssen bei einer Demonstration gegen Polizeigewalt in der Nacht zum Freitag stundenlang in einem Parkhaus verschanzt. Polizeichef David Brown sagte am Freitag, die Polizei habe ihn schließlich mit einem Sprengsatz getötet, den ein Roboter transportierte.

Der Mann habe sich auch gegen die Bürgerrechtsbewegung „Black Lives Matter“ gestellt. Er habe auch gesagt, er sei kein Mitglied einer Terrororganisation, sondern handele alleine, sagte Brown.

„Nichts davon macht Sinn“, sagte Brown. Die Polizei ermittle mit größtem Druck weiter, solange würden keine Details zum Tathergang oder den anderen Festgenommenen mitgeteilt werden.

Brown wandte sich in einem eindringlichen Appell an die Bevölkerung: „Wir brauchen Ihre Unterstützung, um Sie vor denjenigen zu beschützen, die für diese tragischen Ereignisse verantwortlich sind.“ Er sagte, die Polizisten hätten unter Einsatz ihres Lebens für die Sicherheit von Zivilisten gesorgt, ohne sich vor den Schüssen schützen zu können.

Polizeigewalt in den USA

Mai 2016: Am Steuer eines gestohlenen Autos wird eine junge Afroamerikanerin in San Francisco von einer Polizeikugel tödlich getroffen.

Dezember 2015: In Chicago erschießen Polizisten eine fünffache Mutter und einen Studenten. Beide sind schwarz. Der 19-Jährige hatte seinen Vater mit einem Baseballschläger gedroht, die Nachbarin wird nach Polizeiangaben aus Versehen getroffen.

Juli 2015: Ein Polizist erschießt in Cincinnati (Ohio) bei einer Verkehrskontrolle einen unbewaffneten Schwarzen. Sein Wagen hatte vorne kein Nummernschild.

April 2015: Ein Afroamerikaner stirbt in Baltimore (Maryland) an den Folgen einer Rückenverletzung. Er war in Polizeigewahrsam misshandelt worden.

April 2015: In North Charleston (South Carolina) erschießt ein Polizist einen flüchtenden, unbewaffneten Schwarzen von hinten.

März 2015: Tödliche Schüsse auf einen unbewaffneten jungen Schwarzen lösen in Madison (Wisconsin) Proteste aus. Angeblich schoss der Polizist in Notwehr.

Dezember 2014: Ein vierfacher schwarzer Familienvater wird in Phoenix (Arizona) nach einer Polizeikontrolle erschossen, weil er seine Hand nicht aus der Hosentasche nehmen wollte. Darin waren Tabletten und keine Waffe.

August 2014: Der unbewaffnete schwarze Teenager Michael Brown wird in Ferguson bei St. Louis (Missouri) von einem Polizisten erschossen. (dpa)

„Diese Entzweiung zwischen Polizisten und Bürgern – sie muss aufhören“, sagte Brown.

Zwei Tote in 48 Stunden

Auslöser der Proteste in Dallas und anderen US-Städten war der Tod von zwei Afroamerikanern durch Polizeischüsse in weniger als 48 Stunden. Im Bundesstaat Louisiana wurde am Dienstag der 37-jährige CD-Verkäufer Alton Sterling von der Polizei durch Schüsse aus nächster Nähe getötet. Am Mittwoch starb im Bundesstaat Minnesota der 32-jährige Philando Castile in seinem Auto, nachdem ein Polizist bei einer Routinekontrolle auf ihn geschossen hatte. Beide Vorfälle wurden als Videos im Internet verbreitet.

Der Gouverneur von Minnesota, Mark Dayton, sagte, das gewaltsame Vorgehen der Polizisten gegen Castile sei „bei weitem übertrieben“ gewesen. „Ich kann nicht sagen, wie schockiert ich bin und wie zutiefst, zutiefst verletzt, dass so etwas in Minnesota jemandem passiert, der wegen eines nicht funktionierenden Rücklichts angehalten wurde.“

Zugleich legte der Gouverneur nahe, dass das Vorgehen der Beamten rassistisch motiviert war. „Wäre das passiert, wenn diese Insassen, der Fahrer und die Passagiere, weiß gewesen wären?“, fragte der Demokrat. „Ich glaube nicht, dass es passiert wäre.“

Auch Obama erklärte, die Vorfälle in Louisiana und Minnesota seien „symptomatisch für die größeren Herausforderungen in unserem Justizsystem, die Rassenungleichheiten“. Zugleich sprach er der Mehrheit der US-Polizisten aber „Respekt“ und „Anerkennung“ aus. Später sagte Obama in Warschau, nun müssten endlich landesweit die Empfehlungen des Weißen Hauses für eine Reformierung der Polizei umgesetzt werden.

Außer in Dallas demonstrierten auch in Los Angeles, Chicago, Washington, New York und Atlanta tausende Menschen gegen Rassismus.

Dieser Text wurde aktualisiert um 15.22 Uhr.

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4 Kommentare

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  • Schüsse in Dallas?

     

    Vielleicht bekommen wir ja am Ende wieder einen Einzeltäter präsentiert, dessen "magische Kugel" im Zick-Zack durch sämtliche Opfer flog... wahrscheinlich aber nicht, schliesslich war dieses mal kein demokratischer Präsident unter den Opfern, und weder Mafia noch Republikaner haben etwas zu vertuschen.

  • Sie klingt ein wenig hilflos in meinem Ohren, diese "Ansage" Obamas am Ende seiner zweiten Amtszeit.

     

    Ich frage mich, wie sein: "nun müssten endlich landesweit die Empfehlungen des Weißen Hauses für eine Reformierung der Polizei umgesetzt werden" zusammengeht mit der Forderung einer Mehrheit der Polen nach Schutz durch die Nato, ein Militärbündnis, das sich von einem Staat anführen lässt, der das Rassismus-Problem seiner Polizei nicht in den Griff bekommt (und womöglich nicht einmal bekommen will). Vermutlich so: Die Mehrheit aller Polen, vor allem aber die ultrakonservative Regierung des Landes denkt wie Mark Dayton, der Gouverneur von Minnesota: „Wäre das passiert, wenn [...] der Fahrer und die Passagiere, weiß gewesen wären? Ich glaube nicht, dass es passiert wäre.“

     

    Eins muss man den Polen lassen: Er ist schon verdammt stark, ihr Glaube.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Diese Vorgänge zeigen erneut, dass das rassistische Problem in den USA deutlich tiefer in der Gesellschaft vorhanden ist als es nach außen den Anschein hat (haben soll!). Die Sonntagsreden des Bedauerns, die Krokodilstränen der Politiker und der Polizeiführung - das alles mag im Moment durchaus ernst gemeint sein, im Grunde jedoch ist es den allermeisten weißen und auch schwarzen Rassisten gleichgültig. Das Gerede von Freiheit, Gerechtigkeit gilt nur für eine bestimmte Bevölkerungsschicht, ganz gewiß nicht für die unterste. Nach außen wird der schöne Schein des Landes der "unbegrenzten Freiheit" verkauft. Es ist ähnlich wie mit den Filmkulissen in Hollywood: sie sehen schön aus, doch dahinter ist nichts Substantielles...

  • Vermutlich steckt hinter der Polizeigewalt weit weniger Rassismus als proklamiert wird. Es ist eine sozial auseinander gefallene Gesellschaft, in der es viel Gewalt gibt. Polizisten sind schlecht ausgebildet und haben es nicht gelernt, in zweideutigen Situationen richtig zu reagieren. Da wird dann schnell geschossen, den wer zuerst schiesst, stribt nicht.

    Das Problem in Louisiana besteht darin, dass grosse Teile der Afroamerikaner von der Politik abgeschrieben sind und Gewalt dort nur bekämpft wird, wenn sie über die Grenzen der Ghettos hinausgeht. Das hat durchaus etwas mit rassistischen Einstellungen aber noch mehr mit der in den USA gängigen Verachtung des Sozialstaats zu tun.

    In anderen Ländern hat der CIA gezielt Demonstranten erschiessen lassen um die andere Seite in Misskredit zu bringen. In der Ukraine hat das gut funktioniert und auch in Syrien war dies vermutlich so. Um die absehbaren Proteste eindämmen zu können, würden 4 tote Polizisten vermutlich genauso in Kauf genommen. Denn Polizisten haben in den USA wenig Ansehen und Unterstützung in den USA. Sie werden nicht nur schlecht ausgebildet sondern auch schlecht bezahlt und lassen nicht selten ihr Leben für die Fehler der Politik.