Anschläge in Kenia: Islamisten an der Küste
Grenzübergreifende Angriffe auf die Küstenregion nahe Mombasa sorgen für Verunsicherung. Hintergrund ist ein Konflikt um Landbesitz.

KIKAMBALA (KENIA) taz | „Wenn jemand mich von meinem Grundstück vertreiben will, bitte ich al-Shabaab um Hilfe“, sagt Wanyebe Nrima. Eigentlich ist der Kenianer gläubiger Katholik. Aber weil er und viele Bewohner der Küstenregion Kenias wütend sind auf die Regierung, fühlt er sich zu den Islamisten im benachbarten Somalia hingezogen: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“
Seit Juni kommt es ständig zu Gewaltakten in verschiedenen Orten an Kenias Küste. Die somalischen Shabaab behaupten, dafür teilweise verantwortlich zu sein – sie rächen sich für Kenias Armeeangriffe auf Somalia. Schwerbewaffnete Männer greifen nun in Kenias Küstenregion Orte an, deren Bewohner meist ursprünglich aus dem Inneren stammen. Mehr als 100 Menschen sind ums Leben gekommen. Muslime, Frauen und Kinder werden meistens verschont.
Die Anschläge tragen die Handschrift von al-Shabaab. Aber die Auswahl der Ziele entspricht dem Ärger der Küstenbewohner, die finden, dass Kenianer aus anderen Landesteilen ihnen ihren Grundbesitz wegnehmen. Das ist auch die Ansicht von Nrima. „Unsere Familien leben hier seit Generationen, aber offiziell wohne ich hier illegal“, sagt er. „Unser Land wurde gestohlen von Menschen aus dem Innern.“
Jomo Kenyatta, Kenias erster Präsident und Vater des jetzigen Staatschefs Uhuru Kenyatta, siedelte entlang der Küste Landlose aus anderen Landesteilen an – zumeist aus seiner eigenen Ethnie der Kikuyu. Sie erhielten Grundbesitzurkunden, die die ersten Küstenbewohner in der Regel nicht hatten. „Das bringt eine Menge böses Blut“, sagt Francis Auma von der Organisation Muhuri (Muslime für Menschenrechte) in Mombasa.
Instabilität eine Meisterleistung von Al-Shabaab
Auma war nicht überrascht, dass der Ort Mpeketoni das erste Ziel der Anschlagsserie war. Dort leben überwiegend Kikuyu, und es war eines der Lieblingssiedlungsprojekte von Jomo Kenyatta. Im Juni starben dort über 60 Menschen bei Angriffen von Bewaffneten. Die Shabaab übernahmen die Verantwortung, aber Kenias Regierung machte lokale Politiker verantwortlich.
Möglicherweise stimmt beides. Somalias Shabaab-Miliz hat einen kenianischen Zweig namens al-Hijra, der seit Jahren rekrutiert: Kenianer somalischer Herkunft, Muslime an der Küste, Jugendliche in Armenvierteln. Viele zogen in Somalia in den Krieg und kamen zurück, als Shabaab dort wieder an Boden verlor, sagt Auma. „Sie sind geschulte und bewaffnete Söldner.“ Ein weiterer Faktor ist der Plan der Regierung, bei Lamu, einer Insel mit einer alten Swahili-Siedlung und als Ausflugsort bei Touristen sehr beliebt, einen großen Hafen zu bauen samt Autobahn und Zugverbindung, um Äthiopien und Südsudan für den Überseehandel zu erschließen. Spekulanten haben sich entlang der geplanten Trassen viel Land angeeignet, legal oder illegal, mit der Absicht, es später für viel Geld an den Staat zu verkaufen.
„Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte“, glaubt der irische Priester und Menschenrechtsaktivist Gabriel Dolan, der seit über dreißig Jahren in Kenia wohnt. „Ich fürchte, dass die Gewalt nur zunimmt, solange die Regierung nichts tut, um die Landproblematik hier und anderswo in Kenia zu lösen.“
Aus seiner Sicht ist die neue Instabilität an der Küste eine Meisterleistung von Al-Shabaab. „Es ist leicht, Urlauber hier zu töten und die Tourismusindustrie kaputt zu machen. Aber Shabaab scheint zu versuchen, interne Probleme anzuheizen, sodass Kenianer selbst Kenia zerstören.“
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