Anne-Frank-Buch zurückgezogen: Falsche Annahmen
Der niederländische Verlag Ambo/Anthos nimmt sein umstrittenes Anne-Frank-Buch aus dem Handel. Expert*innen demontierten die darin aufgestellten Thesen.
Das Ermittlerteam um den ehemaligen FBI-Agenten Vincent Pankoke und den Journalisten Pieter van Twist kamen zu dem Schluss, der jüdische Notar Arnold van den Bergh habe Anne Frank sowie sieben weitere jüdische Menschen 1944 an die Nazis verraten.
Zwei Jahre lang lebte Anne Frank mit ihrer Familie im Hinterhaus in der Prinsengracht 263 im Amsterdam, von wo aus sie ihr heute berühmtes Tagebuch schrieb. Nach ihrer Entdeckung wurden die Familienmitglieder in verschiedene Konzentrationslager deportiert. Otto Frank, Annes Vater, überlebte als Einziger.
Ein Schreiben aus dem Besitz Otto Franks diente dem Team um Pankoke und van Twist als wesentliches Indiz. In ihm beschuldigt ein Unbekannter den jüdischen Notar des Verrats. Die Existenz des Briefes ist jedoch schon lange bekannt gewesen, das Papier liegt allerdings nicht mehr vor. Man weiß bis heute nicht, wer der anonyme Hinweisgeber war und ob seine Behauptungen wahr sind.
Das niederländische Forscherteam um den Historiker Bart Wallet, Professor für jüdische Geschichte an der University of Amsterdam, stellte nun einen Bericht vor, der den Inhalt von Sullivans Buch demontiert. Es sei stümperhaft, beruhe auf falschen Annahmen, außerdem seien Quellen falsch genutzt worden, besagt die kritische Analyse der Historiker*innen.
Als Reaktion darauf rief der Verlag Ambo/Anthos nun alle Buchhändler auf, ihre Vorräte zurückzuschicken. Er entschuldigte sich zudem „bei all denjenigen, die durch den Inhalt des Buches verletzt wurden.“
Auch der englische Großverlag Harper Collins wurde seitens eines Vertreters der jüdischen Gemeinde aufgefordert, das dort im Januar auf Englisch erschienene Buch zurückzuziehen. Eine Antwort erfolgte darauf noch nicht.
Die Veröffentlichung der deutschen Ausgabe unter dem Titel „Der Verrat an Anne Frank“ war ursprünglich für den 20. März geplant. Jürgen Welte, Geschäftsführer und Verleger von HarperCollins Deutschland, hatte bereits im Februar angekündigt, diesen Termin vorerst zu verschieben. Er wolle das Manuskript prüfen lassen, die Veröffentlichung an sich habe er aber nicht abgesagt, wie er der Süddeutschen Zeitung mitteilte.
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