Annäherung zwischen China und Russland: Einigung im Grenzstreit
China und Russland unterzeichnen Abkommen über zwei russische Inseln im Grenzfluss Amur. Zeichen für Annäherung zwischen beiden Staaten.
Mehr als 40 Jahre haben Russland und China verhandelt. Gestern unterzeichneten beide Seiten in Peking nun endgültig das Protokoll, in dem der lang währende Grenzstreit am Fluss Amur beigelegt wird. Gegenstand des territorialen Zwistes waren zwei russische Inseln im Grenzfluss Amur, die Tarabarow-Insel und die Große Ussuri-Insel. Im August geht die Tarabarow-Insel vollständig in chinesische Verwaltung über und wird fortan Inlundao heißen. Die Große Ussuri-Insel teilen sich beide Seiten. Der Ostteil bleibt bei Russland, der Westteil geht an China. Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts waren die Grenzstreitigkeiten mehrfach Anlass für bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den einstigen kommunistischen Verbündeten.
Moskau und Peking stellten die Einigung auch als einen Beleg für die enger gewordenen Beziehungen dar. Besonders Russland möchte damit zeigen, dass China in der außenpolitischen Rangliste Moskaus einen dem Westen vergleichbaren Stellenwert erlangt hat. Den Weg zur Beilegung der territorialen Streitigkeiten hatte bereits Expräsident Wladimir Putin 2004 geebnet. Der damalige Kremlchef hofierte China als potenziellen Verbündeten gegen die Dominanz der USA und für das Konzept einer multipolaren Weltordnung.
Geopolitische Interessen förderten die Annäherung der beiden Mächte in den letzten Jahren. So stellt die von Moskau ins Leben gerufene Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) das einzige internationale Bündnis mit einer militärischen Komponente dar, dem auch China angehört. Überdies führte die Normalisierung des Verhältnisses zu einer sicherheitspolitischen Entlastung, die für beide Seiten von vitalem Interesse ist.
Auf Gebietsforderungen von Nachbarn reagiert Russland gewöhnlich sehr emotional. Der Streit um die Inselgruppe mit Japan erhitzt immer wieder die Gemüter. Auch im Fernen Osten rief die Grenzregulierung mit China Unmut hervor. Die russischen Medien handhabten das Thema diesmal sehr vorsichtig. Von einer Revision der Historie war keine Rede. Stattdessen wurde die Gebietsregulierung als eine gerechte Aufteilung dargestellt, bei der jeder die Hälfte erhielt. Und auch diese Hälfte, meinten russische Experten, sei kein Gebietsverlust, da China durch einen Dammbau neues Land hinzugewonnen hätte.
Russland gibt sich großzügig, weil es China enger an sich binden will. Bislang oszillierte die Beziehung zum Nachbarn zwischen taktischem Verhalten und dem Wunsch nach strategischer Partnerschaft. Ein klares Konzept, wie mit China umzugehen sei und es für die eigenen Interessen eingebunden werden könnte, liegt noch nicht vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen