Anna Klöpper holt einmal tief Luft und denkt über einen entlassenen AfD-Lehrer nach: Verteidigung ohne Angriff
Das evangelische Gymnasium „Zum Grauen Kloster“ in Schmargendorf entlässt einen Chemielehrer in der Probezeit, weil der auf rechten „Bärgida“-Demos gesichtet wurde. Nun ist der Mann auch noch Schatzmeister der AfD in Neukölln, wie am Wochenende bekannt wurde – und prompt meldet sich genau diese seine Partei zu Wort: „Auch in altehrwürdigen Institutionen ist die Leitung zwischenzeitlich links-grün-versifft“, hyperventiliert Andreas Wild, Vizevorsitzender des AfD-Kreisverbands Steglitz-Zehlendorf. Und selbst die AfD-Bundesspitze mischt sich ein: „Politische Säuberung pur!“, kläfft deren Sprecher Christian Lüth.
Puh. Luft holen. Nachdenken: Ist das eine Erwiderung wert? Ja, ist es – und dazu zunächst ein Exkurs in die eigene Schulzeit.
Viel mehr als das, was uns unser Physik- und Chemielehrer auf dem Gymnasium über die Leitfähigkeit von Kupfer zu berichten wussten, beeindruckten uns Neuntklässler seine frauenfeindlichen Sprüche. „Na Sophie, jetzt pass mal auf, jetzt geht’s quasi um Weichspüler. Den brauchst du, damit dein Mann später auch weiche Handtücher hat.“ Wir Mädchen ließen uns das gefallen, was hätten wir auch sagen sollen – am Ende wäre aus der „Drei“ im Zeugnis, die fast alle Mädchen bekamen, noch eine „Vier“ geworden.
Was uns das sagen soll: Ein Lehrer unterrichtet nie bloß sein Fach. Er verkörpert Werte – und die müssen mindestens mit unserer demokratischen Verfasstheit, im Idealfall sollten sie auch mit den Grundwerten einer modernen Gesellschaft übereinstimmen. Tun sie das nicht, ist das angesichts der Machtposition, die ein Lehrer im Klassenraum innehat, bedenklich.
Deshalb ist die Kündigung des offensichtlich rechts gesinnten Lehrer richtig. Dass sich die AfD einmischt, obwohl die Schulleitung betont hat, mit der Parteizugehörigkeit habe die Entlassung nichts zu tun – wie auch, da sie juristisch jeder Grundlage entbehrt hätte –, zeigt nur wieder, woher diese Partei ihre Kraft zieht: Sie lebt von den Feindbildern, die sie heraufbeschwört. Und wenn niemand der „links-grün-versifften Demokratiefeinde“ (Wild) sie angreift, dann verteidigt man sich eben, ohne dass da ein Angriff war.
Er habe sich zu der Angelegenheit nicht richtig erklären können, sagt der entlassene Lehrer. Aber dazu gibt es auch gar nichts zu sagen.
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