Anlauf für Weiterbildungsgesetz: Heil setzt auf bezahlte Auszeit
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will ein Jahr berufliche Weiterbildung möglich machen – und zwar bezahlt. Kritik kommt aus den Unternehmen.
Deutschland müsse „Weiterbildungsrepublik“ werden, sagte Heil. Mit einer Bildungs(teil)zeit sollen Beschäftigten finanzielle Unterstützung für arbeitsmarktbezogene Weiterbildungen erhalten. Damit könnten etwa Berufsabschlüsse nachgeholt werden. Vorbild für die Pläne des Arbeitsministers ist Österreich. Dort können Beschäftigte für ein Jahr eine berufliche Auszeit für eine Aus- oder Weiterbildung nehmen – oder eine sogenannte Bildungsteilzeit für bis zu zwei Jahre.
Damit müssen sich Arbeitnehmer*innen für eine Weiterbildung nicht gänzlich freistellen lassen. Die Höhe des Weiterbildungsgelds entspricht in Österreich der Höhe des Arbeitslosengelds. Ähnliches plant Heil nun für Deutschland. Die Bundesagentur für Arbeit soll die Weiterbildung finanzieren. Arbeitnehmer*innen, die sich weiterbilden wollen, sollen für maximal ein Weiterbildungsjahr Unterhalt in Höhe des Arbeitslosengelds I erhalten – also 60 Prozent des Nettoeinkommens für Alleinstehende, 67 Prozent für Menschen mit Kind.
Auch eine Bildungsteilzeit will Heil ermöglichen. Für die Weiterbildung und weitere Maßnahmen, die Heils Gesetz enthält, soll die Bundesagentur für Arbeit bis 2026 jährlich rund 771 Millionen Euro bereitstellen. 190 Millionen Euro sollen jährlich aus dem Bundeshaushalt dazukommen. In Österreich bezogen laut einem Bericht von dessen Arbeitsministerium 2021 im Jahresdurchschnitt 13.900 Menschen Weiterbildungsgeld, 286 Millionen Euro gab Österreich dafür aus.
Firmen vermuten Probleme bei der Freistellung
Demnach wurde das Weiterbildungsgeld häufiger von Frauen als Männern genutzt, viele waren gut qualifiziert und mehrheitlich zwischen 25 und 44 Jahre alt. Kritik an Heils Plänen kommt von der IHK. Diese begrüßt zwar, dass die Weiterbildung Beschäftigter vereinfacht werden solle. Jedoch hätten Betriebe oft eine dünne Personaldecke. Es müsse sich erst zeigen, ob Mitarbeitende „in nennenswertem Umfang“ freigestellt werden könnten.
DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel bemängelt, dass die Arbeitnehmer*innen den Plänen zufolge keinen Anspruch auf Freistellung haben werden. „Die vorgesehene Dauer der Bildungszeit und Bildungsteilzeit ist leider zu kurz, um berufliche Umstiege und Neuorientierungen tatsächlich möglich zu machen“, sagt Piel. Zudem brauche es einen Mindestbetrag für Geringverdiener. Trotzdem sagte Piel: „Arbeitsminister Heil setzt mit seinem Gesetzentwurf wichtige Akzente.“
Einer dieser Akzente ist eine Ausbildungsgarantie, die das Gesetz auch enthalten soll. Jeder junge Mensch solle die Chance auf eine Ausbildung haben, sagte Heil. „Dafür fördern wir etwa die Mobilität und Berufsorientierung von jungen Menschen.“ So sollen etwa für Praktikant*innen, die sich beruflich orientieren wollen, Unterkunfts- und Mobilitätskosten übernommen werden. Laut Arbeitsministerium soll das Gesetz in den kommenden Wochen ins Kabinett kommen und noch dieses Jahr im Bundestag verabschiedet werden. Dann könnten Teile des Gesetzes auch schon dieses Jahr in Kraft treten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen