Anlagestrategien der Pensionsfonds: Wenn die Rente den Hambi abholzt
Steckt Ihre Pensionskasse Geld in Rüstungsfirmen, Kohle oder Atomkraftwerke? Falls ja, könnte sich das bald ändern.
Der Finanzausschuss des Bundestages debattiert am Mittwoch dieser Woche nun ein Gesetz, dass die Versicherer verpflichten soll, bei ihre Anlagen nicht nur mit Rendite, Risiko und Liquidität zu rechnen – sondern auch mit dem Klimawandel und damit, wie sich ihre Investitionen auf die Gesellschaft auswirken: Sie sollen ihr Risikomanagement um sogenannte ESG-Kriterien erweitern, eine englische Abkürzung für Environment, Social und Governance, auf deutsch Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.
Nur, kritisieren die Grünen, ausgerechnet die öffentliche Hand ist davon ausgenommen. „Der Bund verpflichtet die privaten Versicherer, gesellschaftliche Risiken auf dem Schirm zu haben, bei seine eigenen Pensionskassen verweigert er sich aber“, sagt Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Das neue Gesetz geht auf die sogenannte EbAV II-Richtlinie der EU aus dem Jahr 2016 zurück – und die auf das Klimaabkommen von Paris und die globalen Nachhaltigkeitsziele der UN, beide aus dem Jahr 2015.
Darin enthalten ist die Erkenntnis, dass die Welt nur von Armut und Hunger befreit und vor einer zerstörerischen Klimaerwärmung bewahrt werden kann, wenn Finanzmärkte umgebaut werden. Nur der wird mit Gewinn belohnt, der ökologisch und sozial wirtschaftet. Brüssel arbeitet dazu an einem ganzen Paket neuer Richtlinien. Der Weg dahin ist sehr weit – und das Gesetz jetzt nur „ein wichtiger erster Schritt, damit Pensionsgelder sinnvoll investiert werden“, so Schick.
Aber was genau heißt das, sinnvoll investieren? Etwa in Solaranlagen, Kitas, Eisenbahnen, Elektroautos, Windparks, Ökolandwirtschaft, nachhaltige Fischerei? Ja, aber eben nicht nur. Denn das Anlagevermögen kapitalgedeckter Altersvorsorgen in den 22 größten Märkten weltweit beläuft sich auf 41 Billionen Dollar, schreibt die Menschenrechtsorganisation Fian. Es gibt bei weitem nicht genug ökosoziale Projekte für diese gewaltige Summe.
Investitionen in die am wenigsten schlimmsten Firmen
Deshalb sind große Fonds gezwungen, in ganz normale Großkonzerne zu investieren. Das macht die Sache kompliziert: Einige Pensionsfonds der Länder orientieren sich mittlerweile an Firmen oder auch Staatsanleihen von Ländern, die in speziellen nachhaltigen Indizes gelistet sind. Da gibt es etwa den „Stoxx Global ESG Leaders“, 400 Konzerne, die irgendwie als nachhaltiger gelten als andere – darunter finden sich dann aber Coca Cola, Nestlé oder BMW. In den noch enger gefasst nachhaltigen Aktienindex, „Euro Stoxx Sustainability“ haben es immer noch BMW und der Monsanto-Käufer Bayer geschafft. Das sind nun aber auch die negativsten Beispiele.
Die Idee hinter ESG-Kriterien ist eigentlich, unter vielen unökologischen und unsozialen Firmen in die am wenigsten schlimmen zu investieren. Wer also mehr auf Umwelt und Soziales achtet, kommt leichter an die Billionen der Rentenfonds, so die Idee. Das kann allmählich etwas bewirken. Das zeigen die Beispiele von Rücklagen des Bundes für Beamtenpensionen, die „Versorgungsrücklage des Bundes“ mit 13,2 Milliarden Euro und der „Versorgungsfonds des Bundes“ mit 4,3 Milliarden Euro des Bundesinnenministeriums. Die beiden Bundesvermögen sind zum Teil in den Index Euro-Stoxx-50 investiert, also in die 50 größten börsennotierten Konzerne Europas. Das sei „ethisch blind“, kritisiert Schick. Unter den Konzernen befinden sich beispielsweise die Betreiber von Kernkraftwerken wie die französische Engie oder der Rüstungsproduzent Airbus oder auch die Firma, die im Dieselskandal am meisten betrogen hat: VW. Zumindest das lässt sich also abstrafen, wenn Rentenfonds auf ESG-Kriterien achten.
Ob und wann das Bundesinnenministerium an seiner Anlagestrategie etwas ändert ist unklar. Es teilte vage mit, man arbeite derzeit an einem Nachhaltigkeitskonzept. Eigentlich sieht der Koalitionsvertrag vor, dass staatliche Fonds alle Beteiligungen an Akw im Ausland beenden müssen. Das jetzt im Bundestag diskutierte Gesetz verpflichtet Versicherer nicht dazu, ihr Geld ökologischer und sozialer anzulegen. Sondern nur darzulegen und öffentlich zu machen, wie sehr sie auf solche Kriterien achten.
Den nächsten Schritt hat diese Woche aber der Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments mit großer Mehrheit beschlossen: Demnächst sollen alle Versicherer, Banken und andere Akteure an den Finanzmärkten in der gesamten EU verpflichtet sein, Ihren Kunden in Beratungen darzulegen, wie sie es mit Klimaschutz und sozialer Verantwortung halten. Dann könnten Sie also einfach mal bei ihrer Bank oder ihrer Versicherung nachfragen: Werden mit dem Geld, das ich jeden Monat für die Rente oder ein Haus spare, eigentlich Kohleminen finanziert, Panzer gebaut, geht das an RWE? Rodet meine Rente etwa den Hambi? Eine klare Antwort wäre dann Pflicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“