Anklage gegen Flüchtlings-Aktivisten: 300 Euro für Xenion
Über 5 Jahre nach Räumung des Oranienplatzes sollte ein Flüchtlingsaktivist vor Gericht. Nun wurde das Verfahren gegen Bußgeld eingestellt.
So viel Andrang ist selten im Amtsgericht Tiergarten: Mehr als 40 UnterstützerInnen aus der linken Szene, die grüne Bundestagsabgeordnete Canan Bayram und der Berliner Abgeordnete Hakan Taş waren gekommen, um den früheren Oranienplatz-Aktivisten Adam Baher zu seinem Prozess zu begleiten. Viel geboten bekamen sie nicht: Das Verfahren wurde nach wenigen Minuten wegen Geringfügigkeit unter Auflagen eingestellt. Baher muss 300 Euro an die psychosoziale Beratungsstelle für Geflüchtete Xenion zahlen.
Der Sudanese, der 2012 nach Berlin kam und kürzlich einen Antrag auf Einbürgerung gestellt hat, zeigte sich erleichtert. „Aber das Problem der Kriminalisierung von Flüchtlingsprotesten gibt es überall in Europa. Darüber müssen wir mehr reden, nicht nur über die Katastrophe im Mittelmeer.“
Baher war am Tag der Räumung des Protestcamps am Oranienplatz, am 8. April 2014, sowie ein Jahr später erneut am selben Ort festgenommen worden – nach Angaben des Netzwerks Oplatz.net mit Gewalt und ohne dass die Polizisten ihm einen Grund genannt hätten. Für ihn und seine Unterstützer ist klar, dass mit der – überraschend späten – Anklage Leute wie er mundtot gemacht werden sollen.
Zuvor hatte die Richterin darauf hingewiesen, dass zumindest der erste Vorfall inzwischen ohnehin verjährt sein könnte. Sie schien auch die Angabe der Staatsanwaltschaft, man habe Baher lange nicht finden können, nicht überzeugend zu finden. „Sie waren doch die ganze Zeit über hier in Berlin gemeldet, oder?“, fragte sie erstaunt.
Sobald das Bußgeld, das der Linke Taş „ein bisschen ärgerlich“ nannte, bezahlt ist, wird das Verfahren eingestellt, es gilt dann nicht als Vorstrafe. Damit stehe es auch Bahers kürzlich beantragter Einbürgerung nicht im Wege, betonte Bayram: „Trotzdem Entschuldigung, dass dich die Bundesrepublik wieder enttäuscht hat, Adam!“
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