: Ankläger rügt Verfassungsschutz
Enttarnter V-Mann Toni S. gesteht vor dem Landgericht die Produktion rechtsradikaler CDs. Staatsanwalt wirft Brandenburger Verfassungsschutz vor, bei seinen Ermittlungen zu weit gegangen zu sein. CD-Produktion hätte gestoppt werden müssen
von HEIKE KLEFFNER
Auf der Anklagebank des Berliner Landgerichtes saß gestern nur der enttarnte V-Mann Toni S.. Der härteste Vorwurf von Oberstaatsanwalt Jürgen Heinke traf aber dessen Auftraggeber: den Brandenburger Verfassungsschutz. Der sei bei seinen Ermittlungen in der rechten Musikszene zu weit gegangen. „Die Behörde hätte den Vertrieb der rechtsextremen CD ‚Noten des Hasses‘ stoppen müssen“, erklärte Heise.
Dem 28-jährigen Toni S. wird Gewaltverherrlichung, Verantwortung für Produktion und Vertrieb der neonazistischen CD sowie Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung vorgeworfen. Dafür drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft. Der Cottbuser war im Juli bei einer Razzia in Berlin ohne Wissen der Brandenburger Behörde festgenommen worden. Die Affäre hatte zu heftigem Streit zwischen Berlin und Brandenburg geführt.
Vor Gericht räumte Toni S. ein, maßgeblich an Produktion und Vertrieb der CD beteiligt gewesen zu sein. Er habe sich sicher gefühlt, weil ihm sein V-Mann-Führer mit dem Decknamen Dirk Bartok mehrfach versichert habe: „Wenn was passiert, hat mein Chef gute Verbindungen zu Staatsanwälten und Richtern, wo man einiges drehen“ könne.
Die Staatsanwaltschaft ließ mehrere Mitschnitte von Telefongesprächen zwischen Toni S. und Bartok abspielen, in denen der V-Mann-Führer seinem wegen der Observation durch Berliner Beamte verunsicherten Schützling rät: „Halt die Bude sauber.“ Mit dem Hinweis an Toni S., „du bist nun mal ’ne anerkannte Szenegröße“, versichert er dann, sein Chef sei „unterwegs, um das zu eruieren“.
Das musste sich auch Heiko Homburg im Publikum anhören. Der Sprecher von Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) kommentierte anschließend sichtlich genervt: „Das sind Schutzbehauptungen.“
Nach seiner Anwerbung im Sommer 2000 erhielt S. nach eigenen Angaben vom V-Mann-Führer einen „Amtscomputer“, den er im Fall einer Durchsuchung anstelle seines Geschäftscomputers vorzeigen sollte, sowie ein „abhörsicheres“ Handy. Auf Anraten von Bartok habe er zudem einen „Bunker“ angelegt, in dem die Berliner Beamten später hunderte von CDs mit strafbaren Inhalten fanden. Auszüge aus den rechten Mordfantasien hatte der Staatsanwalt zu Prozessbeginn vorgelesen.
Toni S. behauptete gestern, sein Interesse an dieser Musik sei lediglich „geschäftlicher Natur gewesen“. Es handele sich nun mal um eine Marktlücke. In Guben und Cottbus trat er allerdings über Jahre auch als Kontaktperson für die neonazistische Wanderjugend Gibor auf.
Detailliert beschrieb S. auch die Produktion der mit Hakenkreuzen übersäten CD „Noten des Hasses“, deren Texte zum Mord an Schwarzen, Juden und Politikern aufrufen. Gemeinsam mit dem mutmaßlichen V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Mirko Hesse aus Sebnitz, und dem Berliner Neonazikader Lars Burmeister habe er vor zwei Jahren 3.000 der CDs in Umlauf gebracht. Sowohl der Brandenburger Verfassungsschutz als auch das Kölner Bundesamt seien über ihre V-Männer an fast allen Produktionsschritten beteiligt gewesen. „Burmeister wäre ohne Hesse und mich nicht in der Lage gewesen, die erste Auflage so einfach zu produzieren und zu verbreiten“, erklärte der Angeklagte.
Bartok sei detailliert über die Vertriebswege informiert gewesen, so S. Auch über die zweite Auflage sei der V-Mann-Führer von Anfang an im Bild gewesen. Gegen Bartok ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft Cottbus, gegen Hesse die Staatsanwaltschaft Dresden. Das Urteil gegen Toni S. wird am Montag erwartet.
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