Anja Maier über den Fall von der Leyen: Merkel hat andere Probleme
Für eine Verteidigungsministerin fällt dieser Gegenangriff passend defensiv aus: Zurückweisung, Zeit schinden, Unterstellungen gegen Kritiker lancieren. Aber jenseits der Taktik: In der Plagiatsaffäre, in die Ursula von der Leyen aktuell verstrickt ist, sieht es für sie eher nach Niederlage denn nach Sieg aus.
Vor einem Vierteljahrhundert soll Ursula von der Leyen beim Schreiben ihrer medizinischen Doktorarbeit unsauber gearbeitet haben. Ein Plagiatsexperte wirft ihr nun öffentlich vor, fremde Texte nicht sauber gekennzeichnet zu haben, und spricht von „grobem Schlampen“. Ein anderer bezichtigt die 56-Jährige des „eindeutigen Plagiats“.
Und was unternimmt von der Leyen dagegen? Sie bezichtigt „Aktivisten im Internet, [. . .] Zweifel an Dissertationen namhafter promovierter Politiker zu streuen“. Als Leumund findet sich gerade mal ihr Koparteivize Thomas Strobl. Der sagt, dieses Land habe aktuell weiß Gott andere Probleme „als irgendwelche Plagiatsvorwürfe“.
Das wirkt alles sehr schwach. Klar, wer mag schon öffentlich den Gralshütern der Ehrlichkeit widersprechen? Mit denen legt man sich besser nicht an. So eine ausgegrabene Doktorarbeit gilt im Internetzeitalter schnell als eine Art Stasi-Akte des Wissenschaftsbetriebs. Irgendwas bleibt immer hängen. Und von der Leyen wäre nicht die erste Politikerin, die über ihre Dissertation stürzt.
Die Angelegenheit ist also brandgefährlich für die Ministerin und stellvertretende CDU-Vorsitzende. Sie könnte jetzt jede Unterstützung gebrauchen. Dass sie so wenig davon bekommt, zeigt überdeutlich ihren fehlenden Rückhalt in ihrer Partei. Von der Leyen ist Merkels Protegé. Die Kanzlerin hat die Niedersächsin 2005 in die Bundespolitik gehievt, von der Leyen dankt es ihr bis heute mit harter Arbeit und großer Loyalität. Dass Merkel in Partei und Fraktion wegen ihrer Flüchtlingspolitik aktuell schwer angeschlagen ist, könnte nun von der Leyens Verhängnis werden.
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