Animationsfilm über Fußball: Ein glühendes rundliches Objekt
Nick Park liefert mit „Early Man – Steinzeit bereit“ einen liebevoll gestalteten Trickfilm voll anarchischem Humor. Er trotzt der Vorherrschaft von 3D.
Am Anfang war der Asteroid. Der schlägt eines Tages in der Frühgeschichte der Erde zur Mittagszeit auf der britischen Insel ein – zufällig in der Nähe des heutigen Manchester. Die Saurier, die sich dort gerade noch ums Essen gekloppt hatten, sind danach auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Ein paar Höhlenmenschen hingegen konnten sich vor der Umweltkatastrophe retten. Sie machen sich auf, das frisch entstandene Tal zu erkunden, in dessen Mitte ein glühendes rundliches Objekt liegt.
Der britische Trickfilmer Nick Park, berühmt geworden mit seinen dezidiert britischen Charakterknetköpfen „Wallace & Gromit“ und „Shaun das Schaf“, beginnt seinen jüngsten Animationsfilm „Early Man – Steinzeit bereit“ mit einer Urszene. Denn die neugierigen Steinzeitmenschen können gar nicht anders – ist schließlich bei Manchester – , als mit dem außerirdischen Objekt den Fußball zu erfinden. Mit entschlossenen, zugleich furchtsam aufgerissenen Kulleraugen geben Parks Plastilin-Figuren überzeugend enthusiastische Naturbegabungen, die vollen, gewohnt ruckartigen Körpereinsatz zeigen.
„Early Man“ beginnt seine eigentliche Geschichte aber ein paar Erdzeitalter später. Da sind die Bewohner des inzwischen dicht begrünten Tals, darunter der aufgeweckte junge Dug und der gutmütige Clanführer Bobnar, längst zur Kaninchenjagd übergegangen, den Sport hat man über die Jahrmillionen wieder vergessen.
Erst eine weitere Katastrophe, diesmal von Menschenhand, bringt die Erinnerung an den Sport wieder zurück: Bronzezeitmenschen unter der Führung des wenig sympathischen Lord Nooth beanspruchen das Tal seiner Bodenschätze wegen für sich, die Höhlenmenschen werden ins umliegende Ödland vertrieben – historisch nimmt sich der Film vermutlich gewisse Freiheiten.
Handwerkliche Kleinstarbeit in Zeiten von 3D
Ein Fußballspiel zwischen den „Barbaren“ und dem königlichen (doch, doch) Team „Real Bronze“ soll am Ende die große Entscheidung herbeiführen. Gut, dass die Vorfahren der Talbewohner schon Höhlenmaler hatten, die die sportlichen Urereignisse für die Nachwelt festgehalten haben.
Nick Park betreibt für die Gestaltung der sehr altertümlichen Bildwelten von „Early Man“ einigen Aufwand. Der Film ist mit einem Budget von 50 Millionen Dollar die bisher größte Produktion seiner Firma Aardman und beanspruchte 5.000 Quadratmeter Studiofläche.
Allein 60 Bäume mit beweglichem Laub ließ Park kneten, auch die Dinosaurier oder die mit Bronzepanzern ausgestatteten Mammuts sind wunderbar detailverliebt gearbeitet. Nicht alles davon wurde in Handarbeit geknetet, besonders für die Menschenmengen im Fußballstadion kamen mitunter Computereffekte im Hintergrund zum Einsatz, die allerdings gut mit den echten Figuren ins Bild passen.
Herausgekommen ist ein bildpralles Fußballmärchen mit einer so kindgerechten wie einleuchtenden Moral, die zunächst für das Verhalten auf dem Rasen gilt, jedoch ebenso als gesamtgesellschaftliches Modell gemeint sein dürfte: Wichtig ist, dass man als Team richtig zusammenarbeitet und keine selbstverliebte Egonummer darbietet. Dann kann man selbst vor dem stärksten Gegner bestehen – ein kleiner Seitenhieb auf die Auswüchse des Starkults im heutigen Profifußball.
Urmenschen löffeln Ursuppe – na klar
Der Film demonstriert andererseits unfreiwillig die Schwächen, die ein solches Gruppenverständnis mit sich bringt. Ein Großteil der Figuren ist nämlich auf die bloße Funktion für die Geschichte beschränkt, was auch für die Frauen aus dem Tal gilt, die selbstverständlich im Team mitkicken. Wirklich nah kommt man dem Personal von „Early Man“ dabei nur selten. Auch wenn man gegen das anrührende Glotzen und die ungeschlachten Zähne insbesondere des Helden Dug ziemlich machtlos ist.
Vor allem begeistert „Early Man“ durch seine kühne Entschlossenheit, im Zeitalter der digitalen 3-D-Animation seinen nach wie vor überwiegend handwerklichen Ansatz vollendet zu behaupten – und durch seinen so albernen wie anarchischen Humor, in dem Slapstick genauso viel Platz hat wie hemmungslos platte Wortwitze – ist ja wohl klar, dass Urmenschen am Abend ihre Ursuppe löffeln.
„Early Man“. Regie: Nick Park. England 2018, 88 Min.
Im englischen Original jedenfalls funktionieren derartige Ulks bestens, was auch an den Schauspielern liegen dürfte, die dem Spektakel ihre Stimme geliehen haben: Stammesführer Bobnar wird von Timothy Spall gegeben, und Tom Hiddleston artikuliert die Gemeinheiten des raffgierigen Lord Nooth mit französischem Akzent. Nick Park selbst steuert übrigens die Grunzlaute des Schweins Hognob bei, einer für den Fortgang der Handlung entscheidenden Nebenfigur. Schon das lohnt im Grunde den Film.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann