Anhörung zum Angriff auf US-Konsulat: Hillary Clinton ist nicht zu fassen
Die Republikaner wollen Clinton ein persönliches Versagen nachweisen. Doch sie geht als Gewinnerin aus der Bengasi-Anhörung hervor.
Im Zentrum der 32. Anhörung, die über weite Strecken wie ein Verhör klang, standen nicht etwa potenzielle Lehren aus dem Angriff auf die Außenstelle der US-Botschaft vom 11. September 2012, bei dem vier US-Amerikaner, darunter Botschafter Christopher Stevens, ums Leben kamen. Vielmehr konzentrierten sich die Fragen auf die E-Mails der Ex-Außenministerin sowie auf die Suche nach ihrem Versagen im Vorfeld oder während des Angriffs. Auch die widersprüchlichen Darstellungen des Geschehens aus Washington in den ersten Stunden danach waren Thema.
„Wir haben nichts Neues gelernt“, stellte das demokratische Mitglied des Komitees, Adam Schiff, nach acht Stunden Gezerre in der Anhörung fest: „Wir haben alles bereits diskutiert.“ Nach neun Stunden erinnerte das demokratische Komiteemitglied Elijah Cummings dann daran, dass bereits fünf Millionen Dollar Steuergelder in die Anhörungen über Bengasi geflossen sind und dass selbst zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 nur 22 Anhörungen stattgefunden haben.
Nach zehn Stunden beglückwünschte der Republikaner Ted Cruz seine demokratische Rivalin im Run auf das Weiße Haus per Tweet. Sie habe, schrieb er anerkennend, bereits länger durchgehalten, als seine sämtlichen Filibuster-Reden zusammengerechnet andauerten. Doch der Vorsitzende des Komitees, Trey Gowdy, dessen eigenes Gesicht bereits seit Stunden unvorteilhaft glänzte, ließ nicht locker. Erst um 9 Uhr abends beendete er die um 10 Uhr morgens begonnene Sitzung.
Republikaner wollen Clintons Glaubwürdigkeit aushölen
Selbst republikanische Kongressabgeordnete, wie Kevin McCarthy, haben durchblicken lassen, dass die Hauptfunktion des Bengasi-Komitees die Aushölung der Glaubwürdigkeit von Clinton ist. Bei der Anhörung ist das die Hauptstoßrichtung der Fragen von Gowdy und anderen Republikanern. Wie schon in den zurückliegenden 17 Monaten Komitee-Arbeit wollen sie der ehemaligen Außenministerin ein persönliches Versagen in dem Angriff von Bengasi nachweisen.
Weil sie die Außenstelle der Botschaft nicht genügend abgesichert ha. Weil das Außenministerium mit einer libyschen Sicherheitsgruppe zusammengearbeitet hat, die bei dem Angriff kläglich versagte. Weil sie E-Mails, die der Botschafter lange vor dem Angriff schickte, nicht persönlich bearbeitet hat und weil sie sich Rat bei einem ehemaligen Mitarbeiter holte, als der bereits als Privatunternehmer – unter anderem in Libyen – tätig war. Bei dem republikanischen Komiteemitglied Peter Roskam verdichtet sich all das zu einer Verschwörungstheorie. Demnach wollte Clinton vor dem Angriff vom 11. September 2012 nicht zugeben, wie prekär die Sicherheitslage in Libyen war, weil das ihre „Clinton Doktrin“ ausgehölt hätte.
Die wenigen Fragen nach praktischen Lehren aus dem Angriff kamen von Demokraten – also von Abgeordneten, die kein Interesse am Zustandekommen dieses Komitees hatten. So erkundigte sich die Abgeordnete Tammy Duckworth nach diplomatischen und sicherheitstechnischen Konsequenzen, die seither gezogen worden sind.
Hillary Clinton, verstärkt durch eine Reihe von Mitarbeitern, die während der Ausschusssitzung hinter ihr saßen und ihr Emails, Zeitungsartikel und Memoranden reichten, blieb gefasst. Höflich überging sie die Aufforderung zahlreicher Republikaner: „Antworten Sie mit Ja oder Nein“. Und sie bestritt, dass sie als Außenministerin für die Reaktion von Sicherheitsleuten am Tag des Angriffs verantwortlich gewesen sei. Auch für die Sicherung der US-Diplomaten im Vorfeld sei nicht sie persönlich, sondern das Verteidigungsministerium und Sicherheitsexperten im Außenministerium zuständig gewesen.
Allerdings übernahm sie die Verantwortung für das, was 2012 diplomatisch und politisch zwischen den USA und Libyen lief – inklusive der Entsendung von Botschafter Christopher Stevens. Das, was ihm am 11. September 2012 in Bengasi geschah, nennt sie eine „Tragödie“. Für die Republikaner hingegen ist es ein Versagen.
Am Ende des elfstündigen Anhörungs-Marathons, der per Livestream in die Welt hinausging, hat Clinton zwar ein paar mehr Falten als am Vormittag. Aber sie verlässt den Raum wie eine Gewinnerin. Sie hat sich einen ganzen Tag lang präsidentiabel zeigen können – länger als bei jeder TV-Debatte. Als Reporter sie fragen, woher sie die Ausdauer nimmt, antwortet sie: „Yoga hilft immer.”
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