Anhörung im Finanzausschuss zu NGOs: Die Keule der Gemeinnützigkeit
Die Deutsche Umwelthilfe, Peta und Attac kämpfen um ihren Status als gemeinnützige Organisation. Dabei geht es auch um finanzielle Vorteile.
Berlin taz | Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die Tierschutz-Organisation Peta und die Globalisierungskritiker*innen von Attac haben ein gemeinsames Problem: Ihr Status der Gemeinnützigkeit ist umstritten. Das stellt eine erhebliche finanzielle Gefahr für sie dar – denn es geht dabei auch um Steuervergünstigungen. Mittlerweile beschäftigt der Konflikt den Bundestag; am Mittwoch gab es im Finanzausschuss eine Anhörung.
Während der von den Grünen benannte Experte, Richter Ulf Buermeyer, vor politischen Angriffen auf die Gemeinnützigkeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen warnte, unterstützte Rechtsanwalt Walter Scheuerl die Position der FDP, dass Organisationen nicht gemeinnützig sein dürften, wenn strafbare Handlungen im Spiel seien.
Dieses Argument richtet sich gegen Peta. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) steht derweil unter Druck, weil die CDU ihre Förderberechtigung in Frage stellt. Der Hintergrund: Die DUH betreibt zahlreiche Prozesse für Diesel-Fahrverbote in bundesdeutschen Städten. Attac wiederum wurde die Gemeinnützigkeit vom Finanzamt Frankfurt aberkannt, weil seine Tätigkeit angeblich nicht in den Katalog der förderfähigen Zwecke passte. Demnächst dürfte der Bundesfinanzhof dazu ein Urteil sprechen.
Über die Gemeinnützigkeit entscheiden Finanzämter im jeweiligen Bundesland. Organisationen mit diesem Status haben einen finanziellen Vorteil: Spenden an sie können die Geber*innen von ihrer Steuer absetzen. Dadurch nimmt das Spendenaufkommen zu. Dieser Vorteil ist daran geknüpft, dass die begünstigten Vereine, Verbände und Stiftungen „die Allgemeinheit fördern“. Die aktuelle Auseinandersetzung dreht sich nun darum, ob DUH, Peta und Attac genau das tun oder nur Partikularinteressen vertreten, die nicht förderfähig sind.
Peta legitimiere Einbrüche in Ställe
Im Bundestag stehen nun zwei Anträge zur Debatte. Die FDP greift Peta an. Deren Kampagne „Der Holocaust auf Ihrem Teller“ relativiere „das Leid von Millionen Opfern“ des Nationalsozialismus. Außerdem legitimiere der Verein „Gesetzesbrüche, etwa Einbrüche in Ställe“. Nach dem Willen der FDP soll die Bundesregierung darauf hinwirken, dass in solchen Fällen die Gemeinnützigkeit verloren geht.
Anders sehen das die Grünen: Sie plädieren in ihrem Antrag dafür, dass die Politik sich heraushalten solle. Die Fraktion will den Katalog der begünstigten Zwecke in der Abgabenordnung ausweiten. Eine neue Bundesbehörde könnte die Gemeinnützigkeit schützen, ähnlich der Charity Commission in Großbritannien.
Diese Position unterstützte im Wesentlichen Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin und Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Gegen den FDP-Antrag argumentierte er, politische Auseinandersetzungen, ziviler Ungehorsam und begrenzte Gesetzesbrüche könnten dem Fortschritt in demokratischen Gesellschaften dienen. Protest dürfe deshalb nicht mit der Keule der Gemeinnützigkeit erschlagen werden. Stefan Diefenbach-Trommer von der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ sah das ähnlich. Die Angriffe auf Peta und die Deutsche Umwelthilfe seien „unmäßig“.
Experte der FDP will förderfähige Zwecke einschränken
Der Hamburger Anwalt Walter Scheuerl, von der FDP eingeladen, bezeichnete es dagegen als „Vollzugsdefizit“, wenn bei strafbaren Handlungen die Gemeinnützigkeit nicht entzogen werde. Er sprach sich dafür aus, den Katalog der förderfähigen Zwecke zu konkretisieren, dabei aber auch einzuschränken. Jürgen Brandt, Richter am Bundesfinanzhof, sagte, die aktuelle Rechtslage reiche aus, um die strittigen Fälle zu entscheiden.
Wie es jetzt weitergeht, ist nicht klar. Laut FDP bestünde eine Variante darin, dass der Bundestag die Abgabenordnung änderte, wodurch etwa Einbrüche in Ställe mit der Gemeinnützigkeit nicht mehr kompatibel wären. Doch ob es dafür eine Mehrheit gibt, wird letztlich von der Haltung der Koalitionsparteien abhängen.
Leser*innenkommentare
mowgli
Wer Wikipedia nach dem Gemeinwohl fragt, bekommt erklärt, das sei „das Wohl (das gemeine Beste, […], das Gut) eines Gemeinwesens“. Wer sich noch nicht zufrieden gibt damit und auf „Gemeinwesen[]“ klickt, wird auf eine Seite mit der Überschrift „Gemeinschaft“ weitergeleitet. Da heißt es, Gemeinschaften wären „überschaubare soziale Gruppe[n] ([...]), deren Mitglieder durch ein starkes „Wir-Gefühl“ eng miteinander verbunden sind...“.
Wer das gelesen hat und nicht ganz doof ist, fragt sich nicht mehr, wieso es seit Aristoteles Streit gibt um die Frage, ob man ein Gemeinwohl finden kann wie einen Speisepilz, oder ob es nur das Ergebnis zäher Verhandlungen sein kann. Menschliche Gemeinschaften, schließlich, sind a) unterschiedlich groß und b) unterschiedlich strukturiert.
Es gibt Gemeinschaften, die sind so überschaubar und gefühlsmäßig so eng verbunden, dass sie auf Anhieb einvernehmlich sagen können, was sie für gut halten. Und es gibt Gemeinschaften, die sind so groß und so inhomogen, dass kaum zwei ihrer Mitglieder die selbe Vorstellung von gut teilen.
RA Scheuerl, „die FDP“, „die CDU“ und alle deutschen Finanzämter begreifen Deutschland offenbar als Traumpaar. Oder als Untertanen-Staat, in dem alle, die nichts zu melden haben, gut finden müssen, was der König super findet. Sie vertreten die A-priori-These. Richter Ulf Buermeyer sieht Deutschland offenbar als Demokratie mit 80 Millionen (halbwegs) freien Bürgern. Er vertritt die A-posteriori-These.
Und nun? Nun hilft uns vielleicht das Ausschlussprinzip weiter. Darüber, dass ein Gemeinwohl das Gegenteil bloßer Einzel- oder Gruppeninteressen ist, scheinen sich die „Experten“ ja immerhin einig zu sein. Bleibt also nur die Frage, ob es im Falle elitärer „Vollzugsdefizite“ allen oder nur Einzelnen bzw. Kleingruppen hilft, wenn Missstände nicht mehr publik werden.
Ich finde ja, man braucht nicht unbedingt Experte zu sein, um das sagen zu können. Man darf nur nicht in oder mit Kleingruppen Karriere machen wollen.
88181 (Profil gelöscht)
Gast
Peta sollte man allein dafür alles aberkennen, was aberkannt werden kann:
„Der Holocaust auf Ihrem Teller“
91672 (Profil gelöscht)
Gast
@88181 (Profil gelöscht) Daß auf dem Teller der meisten Leute ein Teil eines toten Tiers liegt, das meistens nicht freundlich behandelt worden ist, stimmt ja auch.
Ich finde, da sollte man eher die Ausländerfeinde Deutschlands (AfD) wegen des Vergleichs der Nazis mit einem Vogelschiss aus dem Bundestag schmeissen.
Der Mann, der unter einem Stein hervorkroch
@88181 (Profil gelöscht) Was ?! Höre ich zum ersten Mal. Wann hat Peta denn das gebracht und wie zum Geier konnten sie damit durchkommen?
Gemeinnützigkeit dafür aberkennen ? Definitiv!
Aber haben sich Peta nicht auch strafbar gemacht? Unter Holocaustleugnung fällt doch auch dessen Verharmlosung, oder?
88181 (Profil gelöscht)
Gast
@Der Mann, der unter einem Stein hervorkroch Die Kampagne war 2004 und 2012 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass das Verbot rechtens war:
www.juedische-allg...tion-war-rechtens/
Der Mann, der unter einem Stein hervorkroch
@88181 (Profil gelöscht) Gut zu wissen. Danke. :-)
81331 (Profil gelöscht)
Gast
@88181 (Profil gelöscht) ...die Wahrheit tut manchmal einfach nur weh, gell?!
Seltsam, als gemeinnützig getarnte 'Lustreisen' des DFB gehen ihrer Meinung nach also voll in Ordnung, oder?
88181 (Profil gelöscht)
Gast
@81331 (Profil gelöscht) Wenn das ihre Wahrheit, dann tun Sie mir leid.
Die Lustreisen der Lustgreise gehen mir am Allerwertesten vorbei.
APO Pluto
@88181 (Profil gelöscht) Das ist aber schade, dass ihnen als politisch interessiertem Menschen, das unterstell ich jetzt mal, die Lustreisen der Lustgreise am Allerwertesten vorbeigehen. Prägt der Verband mit seinen Protagonisten doch sehr das gesellschaftliche Leben. Für viele Kinder sind Fußballer Vorbilder. Das sind aber weder die einen noch die anderen. Wenn man genau hin schaut. Sag ich mal so als linksdrehender Nachdenker.
Zven
Die sichere Überzeugung: "Wir sind die Guten" garantiert noch keine Steuerprivilegien. Wer Gesetze bricht darf nicht gefördert werden, auch wenn die Verbrechen aus der sicherem Bewusstsein begangen werden, dass man im moralischen Vorteil ist.
APO Pluto
Liegt das vielleicht daran, dass sie nicht wie der DFB als Verbandstreffen kaschierte Lustreisen auf Kosten der Steuerzahler machen.
Mainzelmännchen123
Sinnhafter fände ich in dem Zusammenhang, wenn die Gemeinnützigkeit z.B. der Bertelsmann Stiftung untersucht würde.
98589 (Profil gelöscht)
Gast
@Mainzelmännchen123 Oh, das trifft doch mal genau den Punkt!
Wellmann Juergen
Auffällig ist, daß links verortete politische Vereine und Sektierer als gemeinnützig anerkannt werden, während oppositionelle Gruppierungen, wie z.B. PEGIDA nicht als gemeinnützig anerkannt sind.
91672 (Profil gelöscht)
Gast
@Wellmann Juergen Wer sind denn die 'Sektierer'? Sind das die Ausländerfeinde Deutschlands (AfD)? Aber PEGIDA ist ja schlicht und einfach Sachsen und braucht ja keine eigene Einstufung als 'gemeinnützig'. Da gilt ja der Länderfinanzausgleich.
81331 (Profil gelöscht)
Gast
@Wellmann Juergen ...für Sie ist also der Deutsche Fußball-Bund, kurz DFB, ein "links verortete[r]" Verein??!
Wellmann Juergen
@81331 (Profil gelöscht) Lesen Sie meinen Beitrag. Ich schrieb nicht "nur".
Mainzerin
Das peinliche ist, dass die Umwelthilfe nur einklagt, dass geltendes Recht ungesetzt wird. Dieses zu attakieren kommt der Abschaffung des Rechtsstaats gleich - wobei man natürlich fragen darf, ob der bei uns überhaupt existiert...
In eine ähnliche Bresche fallen die Einbrüche in Ställe, die ja auch nur notwendig werden, da die staatliche Überwachung nicht greift und Tierschutzgesetze daher ungestört mit Füßen getreten werden.
Sollte man nicht lieber die attakierenden Politiker daraufhin durchleuchten lassen, wie sehr sie sich tatsächlich im Rahmen des Grundgesetzes bewegen?
So von wegen Amtseid?
Was passiert eigentlich bei nachgewiesenem Bruch des Amtseids?
fly
@Mainzerin Darf eine selbsternannte Bürgerwehr auch in ein Haus einbrechen, wenn sie dort Kindermisshandlung vermutet? Oder in eine Wohnung einbrechen, wenn sie dort Steuerbetrug vermutet?
Mainzerin
@fly Ich fibde es erschreckend, dass Sie Tiere und Menschen so unsachlich gleichsetzen!
1. Ein Stall ist kein Wohnhaus.
2. Wenn Sie bei Verdacht des Kindesnissbrauchs die Polizei anrufen, sind die sehr schnell da. Tiere gelten als Sache. Bei Sachbeschädigung ist die Reaktion der Polizei sehr berechtigt eine andere.
3. Gibt es bestehendes Recht zum Tierschutz, auch gültig für Lebensmittelerzeuger, das politisch gewollt so gut wie nie überprüft und deshalb nicht beachtet wird. DA ist es dann wichtig, dass der ausfallende Rechtsstaat dann von NGOs unter die Arme gegriffen bekommt.