Angst um den Verein beim FC Schalke 04: Angegriffene Schalker Seele

Der Fußball-Bundesligist Schalke 04 versucht in der Misere die Gemüter mit einem offenen Brief zu beruhigen. Die Reaktionen zeigen, wie gespalten der Klub ist.

Schalkes Benjamin Stambouli hockt im Strafraum und fasst sich an den Kopf

Ursachenforschung? Schalkes Benjamin Stambouli scheint noch keine Erklärungen für die Krise zu haben Foto: Guido Kirchner/dpa

GELSENKIRCHEN taz | Die sozialen Medien werden – teilweise zu recht – auch als asoziale Medien bezeichnet, weil in ihnen offen oder auch anonym gepöbelt, beschimpft und beleidigt wird. Das Fanzine schwatzgelb.de, Borussia Dortmund zugewandt, erlaubte sich am Donnerstag eine „Nachricht“ des Vorstands von Schalke 04 mit spitzer Feder zu bearbeiten. Unter der entsprechenden Bewerbung bei Twitter durfte ein herzhaftes „Was mischt ihr … (hier beliebiges grobes Schimpfwort einfügen) euch eigentlich bei unserem Klub ein?“ erwartet werden. Aber das kam nicht. Stattdessen wurde die Satire von königsblauen Fans noch verbreitet, etwa mit dem verzweifelten Zusatz: „Wenn selbst die Schwatzgelben mehr kapieren als deine eigene Vereinsführung, dann ist wohl die Zeit gekommen, durchzukärchern.“

Der vom FC Schalke 04 hölzern als „Nachricht“ verkaufte offene Brief ist ein Werben des Vorstands um Zusammenhalt in äußerst schwierigen Zeiten. Schalke belegt mit nur drei Punkten den letzten Tabellenplatz in der Bundesliga, hat nun in den Spielen beim FC Augsburg sowie gegen den SC Freiburg und Arminia Bielefeld die Pflicht, vor der kurzen Weihnachtspause die Ausgangslage im Kampf um den Klassenerhalt zu verbessern.

Ein willkommener Nebeneffekt wäre, diese fürchterliche Serie von 26 Bundesligaspielen ohne Sieg zu beenden. „Gerade mit Blick auf die Auswirkungen der Coronapandemie ist ein Verbleib im Fußball-Oberhaus ein ganz entscheidender Schritt für unsere wirtschaftliche Stabilität“, schreibt der Verein zur finanziellen Lage, die schon seit Langem schwierig ist.

„Nur gemeinsam schaffen wir es, in der 1. Bundesliga zu bleiben – dorthin gehört unser Verein“, schreibt der Vorstand weiter, dem Jochen Schneider (verantwortlich für Sport und Kommunikation), Alexander Jobst (Marketing, Vertrieb) und nach dem Rückzug von Peter Peters im Sommer Christina Rühl-Hamers für Finanzen angehören.

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In dem Brief werden Fehler eingestanden, ohne dass Verantwortliche genannt werden. Es wird ein Dialog mit den Fans beschrieben, von dem diese nichts mitbekommen haben. Vermutlich hätte der Brief trotzdem den gewünschten Effekt gehabt, wenn da nicht dieses „Aber“ wäre, mit dem der sechste Absatz beginnt: „Es ist eine Grenze überschritten, wenn Einzelne namentlich zum Buhmann ausgerufen oder zum Alleinschuldigen erklärt werden sollen.“

Gemeint war damit eines von mehreren Plakaten, die vergangenen Sonntag vor dem Spiel gegen Bayer Leverkusen (0:3) an einem Parkhaus hingen und Alexander Jobst zum Rücktritt aufforderten. „Neun Jahre Teil des Vorstands bedeutet neun Jahre Teil des Problems. Wann ziehst Du endlich persönliche Konsequenzen?“, war etwa zu lesen.

Beängstigendes Versprechen

Jobst arbeitete für den Weltverband Fifa und Real Madrid, ehe er zu Schalke kam und dort einen denkbar schlechten Start hatte. Er schloss gleich mit der äußerst umstrittenen Ticketbörse viagogo ein Geschäft ab. Die Fans gingen auf die Barrikaden, der Fehler wurde eingestanden und behoben.

Im Schatten des mächtigen Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies, der jahrelang nahezu alle Funktionsträger abdunkelte, tauchte Jobst ab. Tönnies aber verschwand im Sommer, Jobst steckte seinen Kopf heraus, versprach Transparenz und ein neues Schalke. Es sickerte aber immer mehr durch, dass er auch an den Wesenskern des Vereins Hand anlegen wollte.

Das Betriebsklima auf der Geschäftsstelle soll den derzeitigen ­Außentemperaturen entsprechen, berichten Mitarbei­te­r*innen, die dem Lager der Traditionalisten zuzuordnen sind, die sich aber mehr als Schalke-Versteher denn als Fort­schritts­verhinderer verstehen. Auf der anderen Seite steht das Lager, dass Jobst und dessen Vor­stands­kolleg*innen bedingungslos folgt. „Es reicht inzwischen, sachliche Zweifel anzumelden, um auf die Liste der Unliebsamen zu kommen“, zitierte der Spiegel einen Mitarbeiter in Bezug auf die brisante Lage.

Der eingetragene Verein FC Gelsenkirchen-Schalke 04 ist auf vielen Ebenen gefährdet. Noch meldet sich öffentlich nur die aktiven Fanszene mit kritischen Stimmen. Bemerkenswert ist, wer sich nicht meldet. Ein Video mit Mike Büskens oder Gerald Asamoah, die dazu aufrufen, trotz aller Einschränkungen gemeinsam in den Kampf gegen den Abstieg zu ziehen, wäre die bessere Idee gewesen als ein Brief, der vor allem auch eines sagt: Lasst uns erst mal gucken, dass wir die Klasse halten. Über eine mögliche Ausgliederung und so etwas können wir dann später immer noch sprechen.

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