Angriffe auf russische Region Belgorod: Neonazis mit von der Partie
Moskaufeindliche russische Guerilla-Truppen reklamieren die Angriffe auf russische Ortschaften in der Region Belgorod für sich. Lage bleibt unklar.
Über 80 schwer bewaffnete Angreifer sollen am Montagmorgen von der russisch-ukrainischen Grenze nördlich der ukrainischen Stadt Charkiw kommend mehrere russische Ortschaften besetzt haben. Die Angreifer nennen sich „Freiheit für Russland“ und das „Russische Freiwilligenkorps“ und reklamieren die Angriffe für sich. Ihr Angriff wird von ukrainischen Medien begeistert begleitet.
„Endlich gibt es sie, die Volksrepublik Belgorod. Wie haben wir doch auf diesen Tag gewartet“, sagt Janina Sokolowa, mit 760.000 AbonnentInnen eine der bekanntesten Social-Media-Influencerinnen der Ukraine, in einem Video über den Angriff.
Dann spricht Sokolowa mit „Whiterex“, wie sich einer der Anführer der Aktion nennt und der im bürgerlichen Leben Denis Nikitin heißt. Dieser bestätigt ihr, dass man sich nun als „freies Russland“ und „Legion der Freiheit“ auf dem Gebiet der „Volksrepublik Belgorod“ befinde. Weiter sind fahrende Panzer mit ukrainischen Hoheitszeichen zu sehen, die sich, so das Video, auf russischem Territorium fortbewegten.
Ein weiterer Clip zeigt den Bahnhof der russischen Grenzstadt Belgorod. Zu hören ist nur eines: Sirenengeheul. „Nun, Russen“, sagt Moderatorin Janina Sokolowa, „gefällt euch, was da passiert ist?“
Was in Sokolowas Sendung nicht gesagt wurde: Nikitin, einer der Sprecher des Überfalls auf die russischen Ortschaften, ist ein bekannter russischer Neonazi, der von der Überlegenheit der weißen Rasse überzeugt ist. Er war bereits Anfang März bei einem ähnlichen Überfall auf Russland in Erscheinung getreten. Auf russischer Seite werden diese Angriffe bestätigt. Diese gäben Anlass zu großer Sorge, so Putins Sprecher Dmitri Peskow.
Russland berichtet von Artillerie- und Mörserangriffen auf Ortschaften im Grenzgebiet Belgorod. Russland selbst, so das russische Verteidigungsministerium, sei mit Artillerie und Luftangriffen gegen die Angreifer vorgegangen. Dabei, so der russische Telegram-Kanal Shot, seien 39 Angreifer getötet und einige weitere gefangen genommen worden. Das russische Verteidigungsministerium berichtet von 70 getöteten „Eindringlingen“.
Wie umfangreich die Kämpfe sind, zeigt eine Aussage des Gouverneurs des Gebiets Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow. Acht Dörfer, so Gladkow, habe man evakuieren müssen. Nach Angaben von Gladkow, so berichtet das russische Portal life.ru, sind bei den Kämpfen in Grayvoron drei Menschen verletzt wurden. Im Nachbardorf Glotovo seien zwei Menschen verletzt worden. Im Dorf Samostje sei ein Kindergarten in Brand geraten. Auch das örtliche Verwaltungsgebäude und drei Privathäuser seien getroffen worden.
Der jüngste Überfall auf russische Ortschaften ist nicht der erste dieser Art. Am 6. April, so berichtet das ukrainische Portal nv.ua, sei das „Russische Freiwilligenkorps“ in der Region Brjansk gewesen – bereits zum zweiten Mal. Zuvor waren bewaffnete Kämpfer des „Freiwilligenkorps“ Anfang März in zwei russische Dörfer in der Region Brjansk eingedrungen. Bei diesem Überfall, so berichten russische Quellen, seien auch zwei Zivilisten getötet worden.
Auch da war Denis Nikitin ein Sprecher der Aktion. Nikitin war 2001 nach Deutschland übergesiedelt. 2008 gründete er die rechtsradikale Modemarke „White Rex“. Das ukrainische Portal zaborona.com wirft ihm vor, Anhänger einer „White supremacy“-Ideologie zu sein. Inwiefern er tatsächlich federführend bei den Angriffen beteiligt war, ist nicht klar. (mit reuters)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich