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Angriffe auf Neonazis in BudapestBeschuldigter Linker Zaid A. wird haftverschont

Der 21-jährige Syrer saß in der JVA Köln, weil ihm Angriffe auf Neonazis in Budapest vorgeworfen werden. Eine Auslieferung nach Ungarn droht weiter.

„Free Zaid“: Im April forderten Angehörige und Bekannte von Zaid A. vor der JVA Köln seine Freilassung und Nichtauslieferung Foto: Privat

Berlin taz | Knapp zwei Jahre war der Nürnberger Zaid A. auf der Flucht, weil nach dem 21-Jährigen und anderen Linken wegen Angriffen auf Rechtsextreme im Februar 2023 in Budapest gefahndet wurde. Am 20. Januar dann stellte sich der gebürtige Syrer mit sechs weiteren Gesuchten – und saß seitdem in der JVA Köln in Auslieferungshaft nach Ungarn. Seit Freitag ist dies nicht mehr der Fall: Zaid A. wurde unter Auflagen vorerst haftverschont.

Das Berliner Kammergericht, das inzwischen für Zaid A.s Fall zuständig ist, begründete nach taz-Informationen die Haftverschonung mit der langen Dauer der Überprüfung, ob eine Auslieferung nach Ungarn rechtlich zulässig ist. Zaid A. konnte daraufhin am Freitagmittag die JVA Köln verlassen. Er darf nun wieder bei seiner Familie in Nürnberg wohnen. Dreimal wöchentlich muss er sich bei der Polizei melden – so soll eine Flucht verhindert werden. Seine Familie sprach von einem „wunderschönen Tag“.

Erst zuletzt hatten Angehörige und Freunde von Zaid A. eine Kundgebung vor der JVA Köln abgehalten und gefordert, dass der Student freigelassen und nicht ausgeliefert wird. Dort traten auch Mu­si­ke­r*in­nen aus dem Orchester auf, in dem Zaid A. viele Jahre Geige spielte. Auch sein Vater steuerte einen Musikbeitrag bei, seine Mutter hielt eine kurze Rede. „Dein Fehlen tut weh“, erklärte sie. Aber „wir kämpfen weiter, Hand in Hand, gegen eine Auslieferung“.

Ver­tei­di­ge­r*in­nen warnen vor Auslieferung

Ob diese Auslieferung nach Ungarn erfolgt, ist weiter offen. Das Berliner Kammergericht hält diese im Fall Zaid A. bisher nicht für per se unzulässig. Die An­wäl­t*in­nen von Zaid A. warnen eindringlich davor: In Ungarn würden ihm, umso mehr als Linker und Migrant, weder menschenrechtskonforme Haftbedingungen erwarten noch ein faires Verfahren, sagte seine Anwältin Anna Busl zuletzt der taz.

Im Fall der anderen sechs gesuchten Linken, die sich im Januar stellten, erklärte die Bundesanwaltschaft inzwischen, dass sie es für vorrangig hält, ihre Verfahren in Deutschland zu führen – sie also nicht auszuliefern. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft, wo alle Verfahren gebündelt wurden, schloss sich dem an. Eine Entscheidung des Berliner Kammergerichts steht noch aus – sie hatte sich zuletzt verzögert.

Für Zaid A. aber gilt die Ansage der Bundesanwaltschaft nicht – weil er kein deutscher Staatsbürger ist, sondern syrischer. Für einen Nichtdeutschen, dem eine Tat im Ausland vorgeworfen wird, sieht sich die Bundesanwaltschaft bisher nicht zuständig. Deswegen droht Zaid A. weiterhin eine Auslieferung.

Gericht fordert von Ungarn Angaben zu Haftbedingungen

Das Berliner Kammergericht hatte nach taz-Informationen zuletzt Auskünfte von Ungarn zu den Haftbedingungen eingefordert, die Zaid A. erwarten würden. Ebenso forderte das Gericht eine Zusage, dass der 21-Jährige im Falle einer dortigen Verurteilung eine mögliche Haftstrafe auch in Deutschland verbüßen dürfe. Weil sich dieser Austausch mit Ungarn zieht und weil weitere Rechtsfragen geklärt werden müssen, erfolgte die Haftverschonung. Die anderen sechs Beschuldigten – sowie eine weitere Gesuchte, die sich im März in Jena stellte – sitzen weiterhin in Haft.

Bereits im Juni 2024 war eine erste Auslieferung nach Ungarn erfolgt: die von Maja T. Der Thü­rin­ge­r*in wird ebenfalls eine Beteiligung an den Angriffen auf Rechtsextreme in Budapest vorgeworfen. Die Neonazis hatten sich im Februar 2023 zum „Tag der Ehre“ in der Stadt versammelt, einem alljährlichen Szeneaufmarsch mit europaweiter Beteiligung. Maja T. steht seit Februar in Budapest vor Gericht, es drohen bis zu 24 Jahre Haft. Im Prozess und in Briefen schilderte T. widrige Haftbedingungen: andauernde Isolationshaft, Kakerlaken, Schlafentzug oder verweigerte Arztbesuche.

Parallel läuft derzeit ein Prozess gegen die Linke Hanna S. in München, der ebenfalls Angriffe in Ungarn vorgeworfen wurde. Auf die Kunststudentin waren Ermittler erst später gestoßen, in ihrem Fall beantragte Ungarn keine Auslieferung. Auch der 30-Jährigen droht eine hohe Strafe: Die Bundesanwaltschaft wirft ihr versuchten Mord vor.

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3 Kommentare

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  • "Free Zaid"?



    Ich verstehe den Protest gegen eine mögliche Auslieferung nach Ungarn. Ein rechtsstaatliches faires Verfahren zu verlangen ist absolut nachvollziehbar.



    "Free Zaid" zielt aber ganz woanders hin - bedingungslose Freilassung.



    Weil Gewalt grundsätzlich abzulehnen ist - außer gegen Rechte.



    Selbstgefällig, selbstgerecht - Radikale egal welcher Ausrichtung sind immer maximal unreflektiert

  • "weil ihm Angriffe auf Neonazis in Budapest vorgeworfen werden. "

    Der Vorwurf lautet schwerste Körperveletng. Sie sollen den Rechtsextremen aufgelauert, sie verfolgt und dann mit Teleskopschlagstöcken auf sie eingeschlagen haben.

    Das es sich um Rechtsextreme handelt ist dabei nicht von Belang. Von Belang ist das zumeist nur für die extreme Linke, die offensichtlich schwerste Körperverletzungen bei Rechtsextremen als gerechtfertigt ansieht und eine Freilassung einfordert.

    • @Rudolf Fissner:

      So ist es. Selbst wenn man der Ansicht wäre, dass gegen Nazis jedes Mittel durch den Zeeck geheiligt wird, ließe sich ein solcher Angriff nicht wirklich legitimieren, weil es die Nazis in eine Opferrolle bringt und damit potentiell stärkt, während die Linken die moralische Überlegenheit verlieren und damit ihre Legitimation. Ein Bürgerkrieg zwischen radikalen auf beiden Seiten kann nie zu einer guten, freien und gerechten Gesellschaft führen. Das sind letztlich einfach auch nur Leute, die unreflektiert zuschlagen.