Angriffe auf Neonazis in Budapest: Beschuldigter Linker Zaid A. wird haftverschont
Der 21-jährige Syrer saß in der JVA Köln, weil ihm Angriffe auf Neonazis in Budapest vorgeworfen werden. Eine Auslieferung nach Ungarn droht weiter.

Das Berliner Kammergericht, das inzwischen für Zaid A.s Fall zuständig ist, begründete nach taz-Informationen die Haftverschonung mit der langen Dauer der Überprüfung, ob eine Auslieferung nach Ungarn rechtlich zulässig ist. Zaid A. konnte daraufhin am Freitagmittag die JVA Köln verlassen. Er darf nun wieder bei seiner Familie in Nürnberg wohnen. Dreimal wöchentlich muss er sich bei der Polizei melden – so soll eine Flucht verhindert werden. Seine Familie sprach von einem „wunderschönen Tag“.
Erst zuletzt hatten Angehörige und Freunde von Zaid A. eine Kundgebung vor der JVA Köln abgehalten und gefordert, dass der Student freigelassen und nicht ausgeliefert wird. Dort traten auch Musiker*innen aus dem Orchester auf, in dem Zaid A. viele Jahre Geige spielte. Auch sein Vater steuerte einen Musikbeitrag bei, seine Mutter hielt eine kurze Rede. „Dein Fehlen tut weh“, erklärte sie. Aber „wir kämpfen weiter, Hand in Hand, gegen eine Auslieferung“.
Verteidiger*innen warnen vor Auslieferung
Ob diese Auslieferung nach Ungarn erfolgt, ist weiter offen. Das Berliner Kammergericht hält diese im Fall Zaid A. bisher nicht für per se unzulässig. Die Anwält*innen von Zaid A. warnen eindringlich davor: In Ungarn würden ihm, umso mehr als Linker und Migrant, weder menschenrechtskonforme Haftbedingungen erwarten noch ein faires Verfahren, sagte seine Anwältin Anna Busl zuletzt der taz.
Im Fall der anderen sechs gesuchten Linken, die sich im Januar stellten, erklärte die Bundesanwaltschaft inzwischen, dass sie es für vorrangig hält, ihre Verfahren in Deutschland zu führen – sie also nicht auszuliefern. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft, wo alle Verfahren gebündelt wurden, schloss sich dem an. Eine Entscheidung des Berliner Kammergerichts steht noch aus – sie hatte sich zuletzt verzögert.
Für Zaid A. aber gilt die Ansage der Bundesanwaltschaft nicht – weil er kein deutscher Staatsbürger ist, sondern syrischer. Für einen Nichtdeutschen, dem eine Tat im Ausland vorgeworfen wird, sieht sich die Bundesanwaltschaft bisher nicht zuständig. Deswegen droht Zaid A. weiterhin eine Auslieferung.
Gericht fordert von Ungarn Angaben zu Haftbedingungen
Das Berliner Kammergericht hatte nach taz-Informationen zuletzt Auskünfte von Ungarn zu den Haftbedingungen eingefordert, die Zaid A. erwarten würden. Ebenso forderte das Gericht eine Zusage, dass der 21-Jährige im Falle einer dortigen Verurteilung eine mögliche Haftstrafe auch in Deutschland verbüßen dürfe. Weil sich dieser Austausch mit Ungarn zieht und weil weitere Rechtsfragen geklärt werden müssen, erfolgte die Haftverschonung. Die anderen sechs Beschuldigten – sowie eine weitere Gesuchte, die sich im März in Jena stellte – sitzen weiterhin in Haft.
Bereits im Juni 2024 war eine erste Auslieferung nach Ungarn erfolgt: die von Maja T. Der Thüringer*in wird ebenfalls eine Beteiligung an den Angriffen auf Rechtsextreme in Budapest vorgeworfen. Die Neonazis hatten sich im Februar 2023 zum „Tag der Ehre“ in der Stadt versammelt, einem alljährlichen Szeneaufmarsch mit europaweiter Beteiligung. Maja T. steht seit Februar in Budapest vor Gericht, es drohen bis zu 24 Jahre Haft. Im Prozess und in Briefen schilderte T. widrige Haftbedingungen: andauernde Isolationshaft, Kakerlaken, Schlafentzug oder verweigerte Arztbesuche.
Parallel läuft derzeit ein Prozess gegen die Linke Hanna S. in München, der ebenfalls Angriffe in Ungarn vorgeworfen wurde. Auf die Kunststudentin waren Ermittler erst später gestoßen, in ihrem Fall beantragte Ungarn keine Auslieferung. Auch der 30-Jährigen droht eine hohe Strafe: Die Bundesanwaltschaft wirft ihr versuchten Mord vor.
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