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Angriffe auf Jour­na­lis­t*in­nenBeleidigungen, Tritte, Faustschläge

Die Angriffe auf Jour­na­lis­t*in­nen in Deutschland sind zurückgegangen. Warum das kein Grund zum Aufatmen ist und welche Maßnahmen es braucht.

Bauern protestieren in Berlin – und hetzen gegen Medien Foto: Christian Mang

Die Zahl der Übergriffe auf Jour­na­lis­t*in­nen ging 2023 auf 41 zurück. Das geht aus einem Bericht der Reporter ohne Grenzen (RSF) hervor. 2022 waren es noch 103 Attacken. Dass Angriffe wie Tritte, Faustschläge und „Lügenpresse“-Rufe zurückgehen, ist erleichternd. Aber das Klima bleibt rau, schreibt RSF.

Das gefährlichste Bundesland für Medienschaffende bleibt mit 12 Angriffen Sachsen. Am gefährlichsten ist es für Re­por­te­r*in­nen auf politischen Veranstaltungen und Demonstrationen aus dem rechtsextremen Spektrum.

In den letzten Jahren waren Querdenken-Demonstrationen für die hohe Anzahl von Übergriffen verantwortlich. 2023 hat ein neues Phänomen dazu beigetragen, dass das „Feindbild Presse“ in die breite Gesellschaft getragen wurde: Blockaden von Land­wir­t*in­nen mit Treckern und Misthaufen.

„In Deutschland hat sich in den letzten Jahren eine immer pressefeindlichere Stimmung ausgebreitet“, ist das Fazit von RSF. Angesichts dieser Entwicklungen und der kommenden Landtags – und Europawahlen, gibt es einiges, was Politiker*innen, Medienhäuser und die Zivilgesellschaft tun müssen, um Jour­na­lis­t*in­nen im zu schützen:

1. Schutz der Re­por­te­r*in­nen im Feld

Polizeibeamte vor Ort müssen An­sprech­part­ne­r*in­nen für Re­por­te­r*in­nen sein und in Gefahrensituationen schnell helfen. Die Polizeibehörden müssen dafür genügend über die Rechte der Presse aufgeklärt sein. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) empfiehlt, Presse- und Informationsstellen bei Demons­trationen und die Einführung eines bundeseinheitlichen Presseausweises.

2. Da hinschauen, wo es brennt

Das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF), das die Studie „Feindbild Journalist“ herausgibt, blickt mit Sorge auf die Landtagswahlen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Gerade in diese Bundesländer sollten Medienhäuser ihre Re­por­te­r*in­nen deshalb vermehrt hinschicken, auch damit tatsächliche Missstände keinen weiteren Zündstoff für Hass gegen Jour­na­lis­t*in­nen liefern.

3. Pressefreiheit auf die politische Agenda

Europaweit sind Medienschaffende zunehmend in ihrer Sicherheit bedroht. Eine ausreichende Gesetzeslage muss geschaffen werden, um Jour­na­lis­t*in­nen in ihrem Grundrecht der freien Berichterstattung zu unterstützen. Der Europarat empfiehlt den EU-Mitgliedsstaaten eine Datenbank, die es Jour­na­lis­t*in­nen erleichtert, Angriffe zu melden. Eine wichtige EU-Richtlinie zum Schutz für Jour­na­lis­t*in­nen vor Einschüchterungsklagen (SLAPPs) wurde dieses Jahr auf den Weg gebracht. Die Richtlinie muss im deutschen Recht umgesetzt werden.

4. Verantwortung der Medienhäuser

Ar­beit­ge­be­r*in­nen müssen Ansprechpersonen bei Angriffen sowie psychologische und juristische Unterstützung bieten. Das muss auch für freie Mit­ar­bei­te­r*in­nen gelten, die nicht durch Tarifverträge geschützt sind. 2022 haben die Gewerkschaft Verdi und andere einen Schutzkodex geschaffen. Mit dem verpflichten sich Verlage zu bestimmten Standards. Das ist ein guter Schritt und mehr Medienhäuser sollten sich der Initiative anschließen.

5. Sicherheitstrainings für Jour­na­lis­t*in­nen

Vor den kommenden Landtagswahlen bietet etwa Verdi Sicherheitstrainings an, die Jour­na­lis­t*in­nen dabei unterstützt, sicher von Kundgebungen zu berichten.

6. Über die Gewalt sprechen – auch außerhalb der Zeitung

Dass etwa die Trecker-Blockaden und „Lügenpresse“-Rufe aus den Reihen der Landwirte problematisch sind, darüber muss diskutiert werden. Am Esstisch, im Schulunterricht und beim Kaffee mit Freund*innen. Denn nur so kann die europaweit zunehmende Gefahr für die Pressefreiheit als gesamtgesellschaftliches Problem erkannt werden – und die Zahl der Angriffe bald hoffentlich auf null reduziert werden.

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2 Kommentare

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  • Wir haben Euch so viel zu verdanken.

  • Wenn der Treckerfahrer aus Rotenburg an der Wümme das Compact Magazin meint, dann hätte er recht.