Angriffe auf Geflüchtete: Mehr rechte Attacken

Die Angriffszahlen auf Asyl­be­wer­be­r:in­nen und Asylunterkünfte steigen. Ist das eine Folge des rechten Diskurses?

Eine zerborstene Scheibe und Absperrband vor einem Gebäude

Bautzen, 02.11.2022: Absperrband nach einem Brandanschlag auf das Spreehotel, das als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden sollte Foto: Sebastian Kahnert/dpa/picture alliance

BERLIN taz | Geflüchtete Menschen sind in Deutschland zunehmenden Angriffen ausgesetzt. 45 Angriffe auf Asylunterkünfte zählte die Bundesregierung für die ersten drei Monate des Jahres 2023. Zum Vergleich: Im ersten Quartal 2022 waren es 42 Angriffe.

Auch körperliche und verbale Angriffe auf Asyl­be­wer­be­r:in­nen stiegen von 350 im ersten Quartal 2022 auf 408 im Jahr 2023. 37 Menschen erlitten körperliche Verletzungen. Die überwiegende Mehrheit der Attacken wird dem rechten Spektrum zugeordnet.

Begangene Straftaten umfassen vor allem Sachbeschädigung, Volksverhetzung und die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die Bundesregierung erfasste aber auch schwere Brandstiftung, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und gar das Vorbereiten einer staatsgefährdenden Gewalttat.

Die Daten gehen aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linkenabgeordneten Clara Bünger hervor. Die Unterlagen liegen der taz vor.

Besonders prekär Geflüchtete im Süden Deutschlands

Der Anstieg sei besorgniserregend, aber keine Überraschung, sagte Bünger. „Seit Wochen erleben wir verbale Angriffe auf das Recht auf Asyl, Rufe nach verschärfter Abschottung und eine unerträgliche ‚Das Boot ist voll‘-Rhetorik.“ Daran beteiligten sich laut Bünger nicht nur AfD und Union, sondern auch SPD und Grüne. „Sie bereiten den Boden für rassistische Mobilisierungen auf der Straße und Gewalttaten gegen Geflüchtete“, kritisierte die Linken-Abgeordnete.

Tareq Alaows, der flüchtlingspolitische Sprecher von Pro Asyl, teilt die Kritik an den Ampel­parteien. Doch seiner Ansicht nach habe vor allem die Union die Debatte geprägt – etwa CDU-Parteichef Friedrich Merz mit seinen Aussagen über „Sozialtourismus“. Die Ampelparteien seien dann mit eingestiegen. „Wir hören nur über Abschottung, Abschiebung und Außengrenzen. Das verschiebt den Diskurs nach rechts“, sagte Alaows der taz. Der rechte Rand fühle sich durch die politische Debatte bestätigt.

Alaows erwartet von der Bundesregierung, dass sie einen lö­sungs­orien­tierteren Diskurs prägt, gerade auch auf der aktuellen In­nen­minister:in­nen­kon­ferenz. „Wir müssen die Menschen schützen, anstatt auf rechte Narrative einzusteigen“, sagte Alaows.

Besonders prekär steht es um den Schutz der Geflüchteten im Süden Deutschlands. Jeder sechste Angriff auf Geflüchtete im ersten Quartal 2023 geschah in Bayern. Bayern und Baden-Württemberg führen auch die Liste der Angriffe auf Unterkünfte an. In Bayern kam es zu 12 Attacken, in Baden-Württemberg zu 7 von insgesamt 45.

Das Bayerische Innenministerium teilt auf taz-Anfrage mit die Polizei beobachte die Lage aufmerksam. Gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft führe sie konsequent Ermittlungen und stehe in Absprache mit den Unterkünften um etwa Schutzkonzepte zu entwickeln oder die Polizeipräsenz zu erhöhen. „Wir nehmen jede Straftat an und in Asylunterkünften sehr ernst“, schreibt ein Sprecher. Bayern unternehme erhebliche Anstrengungen um die Sicherheit zu gewährleisten.

Die Integrationsbeauftragte des Bundes, Reem Alabali-Radovan, ist angesichts dieser Zahlen besorgt. „Geflüchtete, die bei uns leben, müssen sich hier sicher fühlen“, sagte sie der taz. Viele hätten eine traumatische Flucht hinter sich. Es sei unsere Verantwortung, der Hetze Grenzen zu setzen. „Die aktuelle politische Stimmung in der Migrationsdebatte in Deutschland und Europa beunruhigt mich sehr“, sagte Alabali-Radovan.

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