Angela Merkel übt Selbstkritik: Flüchtlingskrise lange verdrängt
Die Kanzlerin hat Fehler in der deutschen Flüchtlingspolitik eingeräumt. Zu lange habe man die Staaten am Rande der EU mit Problemen alleingelassen.
„Deutschland war nach den vielen Flüchtlingen, die wir während der Jugoslawienkriege aufgenommen hatten, ganz froh, dass jetzt vorrangig andere das Thema zu bewältigen hatten. Das kann ich nicht leugnen“, sagte Merkel, die 2005 das Amt der Bundeskanzlerin von Gerhard Schröder (SPD) übernommen hatte. Zu lange sei verdrängt worden, dass es einer gesamteuropäischen Lösung bedürfe. Auch Deutschland habe sich „damals gegen eine proportionale Verteilung der Flüchtlinge gewehrt“.
Heute müsse man „einen längeren Atem haben, um in Europa insgesamt zu einer wirksameren und fairen Lösung zu kommen“, erklärte die Kanzlerin. Auch um den Schutz der Außengrenzen des Schengenraums habe man sich lange nicht ausreichend gekümmert. „Auch Deutschland war nicht immer Anhänger von Modellen, die wie etwa durch Frontex die Souveränität der Mitgliedstaaten eingeschränkt hätten“, sagte Merkel: „Stattdessen haben wir gesagt, dass wir das schon an unseren Flughäfen regeln, weil Deutschland sonst keine EU-Außengrenzen hat, uns also das Problem schon nicht erreichen wird. So geht es aber nicht.“
Altmaier sagte im „Morgenmagazin“ des ZDF: „Wir hätten vielleicht in den Jahren 2008 bis 2015 dafür sorgen müssen, dass die europäischen Außengrenzsicherung besser vorankommt.“ Deutschland habe an den Flughäfen „seine Hausaufgaben gemacht“.
„In den großen Linien“ sei die deutsche Flüchtlingspolitik allerdings erfolgreich, sagte der CDU-Politiker. Es sei gelungen, den „Flüchtlingszustrom deutlich zu verringern“. Die Menschen seien in Deutschland untergebracht worden, niemandem hierzulande etwas weggenommen worden. Jetzt sei man dabei, die „große Aufgabe der Integration zu bewältigen“, sagte Altmaier, der in der Bundesregierung die Flüchtlingspolitik koordiniert.
Die Kanzlerin bekräftigte abermals ihren umstrittenen Satz „Wir schaffen das“. „Ja, selbstverständlich“ bleibe es dabei, dass diese Aussage gut und richtig gewesen sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich