Angeklagte im NSU-Prozess: Carsten S. antwortet Wohlleben nicht
Im NSU-Prozess will der Angeklagte Carsten S. keine Fragen der Verteidiger seines Mitangeklagten Ralf Wohlleben beantworten. Er will, dass Wohlleben auspackt.
MÜNCHEN dpa | Im NSU-Prozess will der Angeklagte Carsten S. keine Fragen der Verteidiger seines Mitangeklagten Ralf Wohlleben beantworten – obwohl er diesen mit seinen bisherigen Aussagen massiv belastet hatte. Das gilt zumindest, so lange sich Wohlleben nicht selbst zur Sache äußert. Das sei für ihn wichtig, sagte S. am Donnerstag vor dem Münchner Oberlandesgericht (OLG). Er begründete dies mit Waffengleichheit, „dass er hier auch aussagt und seine Geschichte erzählt – dass nicht nur ich mich nackig mache, sondern er auch“.
Der Anwalt von S., Jacob Hösl, betonte, sein Mandant wolle aufklären, habe aber entschieden, dass er Fragen von Wohllebens Verteidigern erst beantworten wolle, wenn dieser umfassend ausgesagt habe. „Wir hätten auch eine Menge Fragen“, sagte Hösl. Wohllebens Verteidiger Olaf Klemke lehnte dies ab. „Ich fass' es nicht“, sagte er. „Wir lassen uns nicht erpressen.“
Ansonsten sagte S. noch einmal bereitwillig aus. Nach seiner detaillierten Befragung durch Gericht und Bundesanwaltschaft an den vergangenen Verhandlungstagen antwortete er nun auch ausführlich auf Nachfragen zahlreicher Nebenklage-Vertreter.
S. hat in seinen bisherigen Aussagen vor allem Wohlleben massiv belastet – der ehemalige NPD-Funktionär ist ebenso wie er selbst wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. S. war nach eigenen Aussagen Mittelsmann zwischen Wohlleben und dem untergetauchten NSU-Trio; er sagte vor Gericht aus, im Auftrag Wohllebens eine Pistole mit Schalldämpfer besorgt zu haben. Damit wurden laut Anklage neun Kleinunternehmer ausländischer Herkunft ermordet. Der 33-jährige Sozialpädagoge ist seit langem aus der Neonazi-Szene ausgestiegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid