Angebliche Übergriffe auf Frauen in Kiel: „Dinge sind undramatischer“
Berichte von Übergriffen in einem Kieler Einkaufszentrum seien übertrieben, sagt die Polizei. „Da fehlte der eine oder andere Konjunktiv.“
Was in der Sophienhof-Einkaufspassage passierte, war für die 15-, 16- und 17-jährigen Mädchen unangenehm genug: In einem Lokal fühlten sie sich aus der Ferne von zwei „südländischen Typen“ angemacht und per Handy fotografiert. Später setzten sich die Männer auch an den Tisch und belästigten die Mädchen, bis ein anderer Mann den Sicherheitsdienst rief. Der Security-Mitarbeiter überwältigte die Belästiger und wurde von einer Menge anderer Männer umringt.
Die hinzugerufene Polizei empfand sie als „Neugierige“, so Gutt. Die Frauen „nahmen sie als homogene Masse“ und Verfolger wahr. Was stimmt, wird noch ermittelt. Zurzeit werden Handys ausgewertet und nach Fotos durchsucht.
Eigentlich verbietet der Pressekodex, Nationalitäten mutmaßlicher Täter zu nennen – diese freiwillige Selbstverpflichtung gilt eigentlich auch für Polizeisprecher. Doch seit der Kölner Silvesternacht ist vieles anders, und die Kieler Polizei steht nach einer früheren Kommunikationspanne unter besonderer Beobachtung. So „gehen wir lieber das Risiko ein, einen Vorab-Stand zu berichten, als den Anschein zu erwecken, wir würden etwas deckeln“, so Gutt.
Vor allem auf den elektronischen Plattformen geht es rund: Auf Twitter rauschte der Hashtag „Sophienhof“ unter die meistgelesenen, gehetzt wird gegen „linke Kläffer“, die die „Rapefugees“ auch noch verteidigten. „Angesichts des Drucks auf die klassischen Medien, der durch die sozialen Netzwerke extrem beschleunigt ist, bleibt auf keiner Seite mehr Zeit, Luft zu holen und nachzudenken“, sagt Bettina Neitzel, Geschäftsführerin des Deutschen Journalistenverbands in Schleswig-Holstein.
Von einem „Kommunikationsdilemma“ sprach Manuela Söller-Winkler (SPD), Staatsekretärin des Kieler Innenministeriums. Wenn in Zukunft „der Konjunktiv eingesetzt“ werde, hoffe sie darauf, „dass sich das auch in den Medien niederschlägt“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!