Angebliche Clankriminalität in Hamburg: Shishabars aufm Kieker
In Shishabars wird derzeit besonders intensiv die Einhaltung der Coronamaßnahmen überprüft. Die CDU will noch mehr Razzien.
Öffentlichkeitswirksam kontrolliert die Polizei gemeinsam mit der Gesundheitsbehörde und den Bezirksämtern derzeit Bars, Klubs und Kneipen. Teils Hunderte Beamt*innen sind dabei im Einsatz, um die Einhaltung der Coronaregeln zu überprüfen. Immer besonders im Blickpunkt: Shishabars.
Die CDU meint nun, dass in diesen Lokalitäten auch vermehrt wegen der sogenannten Clankriminalität Razzien durchgeführt werden sollten. „Wenn die Polizei gemeinsam mit anderen Behörden im Verbund die Coronamaßnahmen kontrollieren kann, muss das erst recht bei Kriminalität geschehen“, sagt der Bürgerschaftsabgeordnete Dennis Gladiator.
Als Vorbild führt er Nordrhein-Westfalen an. Dort wird unter Innenminister Herbert Reul (CDU) die „Politik der tausend Nadelstiche“ betrieben. „So können illegale Strukturen aufgedeckt und Parallelgesellschaften verhindert werden“, sagt Gladiator.
Viele Razzien, kaum Verstöße
Die Innenbehörde will die Forderungen nicht kommentieren und verweist auf bisherige Einschätzungen der Polizei. Demnach ist die Clankriminalität, so lässt sich herauslesen, in der Hansestadt überschaubar.
Thomas Feltes, Kriminologe an der Bochumer Ruhr-Universität, hält von Aktionismus à la Reul wenig. „Man will ganz offensichtlich Menschen, denen man unterstellt, eine Gefahr für unsere Gesellschaft zu sein, aber denen man Straftaten nicht oder nur schwer nachweisen kann, das Leben so schwer wie möglich machen“, sagt Feltes.
So hätten die vielen Razzien in Nordrhein-Westfalen wegen äußerst geringer festgestellter Verstöße kaum die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen gerechtfertigt. Auch Bar-Betreiber Fuat hält den ständigen Fokus auf Shishabars als angebliche Orte kriminellen Handelns für nicht gerechtfertigt.
Für Feltes ist unverständlich, warum die Betreiber wegen möglicher krimineller Handlungen ihrer Gäste leiden sollten. „Man käme wohl kaum auf die Idee, bei einer Razzia in einem Edelrestaurant den Fund von etwas Kokain bei einem Gast dem Betreibenden der Lokalität zuzurechnen“, sagt Feltes.
Auch andere Kneipen beklagen „Razzien-Stil“
Schon die Kontrollen in der Gastronomie sind umstritten. Das Hamburger Barkombinat, in dem sich vor allem Kneipen aus St. Pauli und der Sternschanze zusammengeschlossen haben, beklagt überambitionierte Kontrollen. „Den Razzien-Stil, in dem die Kontrollen von Behörden, Politik und Polizei durchgeführt wurden, finden wir hochproblematisch“, heißt es in einer Mitteilung.
Dabei ist zumindest fraglich, ob einzelne bekannt gewordene Verstöße gegen Coronaregeln überhaupt ein realistisches Bild über deren Einhaltung in Shishabars abgeben. Am Mittwochabend erst wurden insgesamt 22 Shishabars überprüft. Eine Bar wurde wegen zu hoher Kohlenmonoxidwerte im Raum vorübergehend geschlossen. Nach Angaben des Lagedienstes wurden allerdings keine nennenswerten Verstöße gegen die Eindämmungsverordnung festgestellt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit