Angeblich gefälschte Migranten-Pässe: Unter falschem Verdacht
In Erfurt wurden jede Menge Pässe von langjährig in Deutschland lebenden Migranten kassiert. Schuld daran war vermeindlich veraltete Software.
Wie die taz berichtete, hatte die Stadt Erfurt die Pässe von einigen Vietnamesen sowie anderen langjährig im Freistaat lebenden Zuwanderern eingezogen, weil das Prüfgerät piepte. Piepen sollte es eigentlich nur bei Fälschungsverdacht. Es handelte sich um neu von den diplomatischen Vertretungen der Heimatländer ausgestellte Pässe.
Die Zuwanderer hatten das Bürgeramt oder die Ausländerbehörde in Erfurt aufgesucht, um ihren Aufenthaltstitel in den neuen Pass zu übertragen. Stattdessen wurden die Pässe eingezogen und an das Landeskriminalamt Thüringen zur sogenannten Tiefenprüfung geschickt. Erfurt scheint bundesweit die einzige Kommune zu sein, die reihenweise Passfälschungen vermutete. Um wie viele Fälle es sich handelt, kann Stadtsprecher Köhlert nicht sagen. Er räumt ein: „Es kann vorkommen, dass im Einzelfall auch echte und unverfälschte Pässe irrtümlich als auffällig ausgewiesen werden. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass der ausstellende Staat Papier, Druck- oder Sicherheitsmerkmale geändert hat.“
Damit das von der Bundesdruckerei bereitgestellte Prüfgerät solche Änderungen berücksichtigen kann, müsste der ausstellende Staat die Änderungen an die Bundesdruckerei melden und die Stadt Erfurt regelmäßig die Software ihres Prüfgeräts updaten, wie alle anderen deutschen Kommunen dies tun. Doch dies ist in Erfurt offenbar lange nicht geschehen. Köhlert: „Wir werden das Update durchführen und hoffen, das Problem lässt sich so lösen.“ Das hofft auch die Vietnamesin H., deren Pass im September eingezogen wurde. „Ich möchte im Februar Urlaub in Vietnam machen. Bisher habe ich keine Flugtickets gekauft, weil ich nicht weiß, ob ich bis dahin meinen Pass wieder bekomme, “ sagt sie.
Köhlert räumt ein, dass die Prüfung der eingezogenen Pässe beim Landeskriminalamt Monate dauern kann. Der linke Innenpolitiker Steffen Dittes will das Problem schneller lösen. „Ich bin mit dem Innenminister im Gespräch, ob man nicht vielleicht auf die Tiefenprüfung beim Landeskriminalamt verzichten kann und stattdessen die eingezogenen Pässe noch einmal durch das Prüfgerät zieht“, sagt er. Mit der neuen Software dürfte es keine reihenweisen Fehlalarme mehr geben.
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