piwik no script img

Andrew Müller über das geplante InsektenschutzprogrammUngeliebte Wirtschaftswunder

Insekten gelten den meisten als nervig und eklig, bestenfalls vielleicht als unwichtig – auch in der Politik. Das ändert sich zwar, aber viel zu langsam. Das geplante Insektenschutzpaket des Umweltministeriums wäre ein Schritt in die richtige Richtung, aber eben nur ein kleiner. Die bedrohten Insekten sind nicht nur für Forscher bedeutend, die in Museumsarchiven kleine braune Käfer miskroskopieren. Sie sollten auch nicht nur Ökos beschäftigen. Sie müssten allen wichtig sein.

Erst Insekten ermöglichen unsere Landwirtschaft – und sichern damit auch unsere Lebensgrundlage. Ohne Insekten gäbe es viele Pflanzen nicht, ohne Pflanzen keine Nahrung und ohne Nahrung keine Menschen – und damit natürlich auch keine Wirtschaft. Ohne Insekten ginge gar nichts mehr. Das betrifft nicht nur die allseits beliebte Honigbiene. Eine unbekannte Zahl von Arten und Myriaden von Einzeltieren „arbeiten“ im Verborgenen und bilden ein zentrales Rückgrat der Ökosysteme. Solange ihre Dienste kostenlos zur Verfügung stehen, läuft der Laden. Es ist wie mit dem Klimawandel: Die Kosten tauchen in den momentanen Bilanzen nicht auf, kommen aber – zeitlich versetzt.

Die Berechnung von Ökosystemdienstleistungen ist zwar zu Recht umstritten. Sie zeigt aber auf, dass Insekten auch volkswirtschaftlich wichtig sind. Denn es handelt sich bei den von Insekten durch Bestäubung und Bodenbearbeitung erwirtschafteten Milliarden um virtuelle Werte, die kein Unternehmen bezahlen will. Das Insektensterben ist deswegen nicht allein Schuld der pestizidsprühenden Bauern, sondern des auf Profit ausgelegten Systems insgesamt.

Wenn wir weiter so mit Insekten umgehen wie bisher, schneiden wir uns ins eigene Fleisch. Deswegen wäre es das kleinere Übel, dass die Politik jetzt Geld – viel Geld! – in die Hand nimmt für den Insektenschutz. Denn muss Blütenbestäubung erst einmal von Robotern übernommen werden, wird es noch viel teurer. Ganz abgesehen davon, dass die sich auf einer Frühlingswiese auch einfach nicht so gut machen wie Bienen und Schmetterlinge.

wirtschaft + umweltZum Thema Zum Thema

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen