Andreas Speit Der rechte Rand: Wie eine AfDlerin die besorgte Mutter spielt
Am Freitagabend steht Imane Khelif im olympischen Box-Finale der Frauen. Seit Beginn der Olympischen Spiele in Paris tobt eine Kontroverse über die Startberechtigung der Algerierin in der Gewichtsklasse bis 66 Kilogramm. In unzähligen medialen Foren wird angezweifelt, dass Khelif eine weibliche Sportlerin ist. Mit dabei beim digitalen Mobbing: Vanessa Behrendt, AfD-Landtagsabgeordnete in Niedersachsen.
Vor drei Tagen schrieb sie beim Messengerdienst X nach einer Pressekonferenz des internationalen Boxverbandes in Paris: „Jetzt bin ich aber gespannt, was nun wieder kommt, um daran festzuhalten, dass #ImaneKhelif eine Frau seien soll.“ Als Quelle dient Behrendt ein Artikel des rechtslastigen Medienportals „Nius“ um den Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt.
Behrendt ist die familien– und frauenpolitischer Sprecherin der niedersächsischen AfD-Fraktion. Gleich nach der Eröffnung der Spiele beklagte die 40-Jährige: „Dass die Trans-Ideologie mittlerweile in Kindergärten, Schulen, Universitäten, Medien und nun sogar bei den Olympischen Spielen in Paris demonstrativ Einzug gehalten hat, dürfte manchem unangenehm aufgefallen sein.“ Doch was das mit den Kindern mache, könne kaum hinterfragt werden, „ohne dafür massiv angefeindet zu werden“, klagte sie.
In dem Post unterstellt die verheiratete Mutter zweier Kinder, dass dem Erfinder der „Trans Pride Pädo-Flag“ (sic!), Robert Hogge, der sich später Monica Helms nannte, ein „fließender Übergang zur Pädophilie“ zuzuschreiben sein könnte. Die vorsichtige, aber infame Formulierung im Text verschwindet in der Kachel zum Posting. „Der Erfinder der Trans-Flagge hatte Pädo-Fantasien“, behauptet die Abgeordnete schlicht.
Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.
Mit Delia Klages und Jessica Schülke ist Behrendt die dritte Frau unter den siebzehn AfD-Landtagsabgeordnet*innen in Hannover. In der rechtsextremen Szene sind seit Jahren Frauen kaum Funktions- oder Mandatsträgerinnen. In dem männlich dominierten Milieu agieren nur zu 20 Prozent Frauen, wie Studien kontinuierlich ausweisen.
Selbst wenn sie Parteiämter oder Parlamentssitze besetzen, wollen sie keine Geschlechter- und Rollenbilder ins Rollen bringen. Vielmehr sind sie meist 150-prozentig ideologisch überzeugt und getrieben, wenn sie sich in die Szene einreihen. Bei Behrendt prangt als Profilbild für X die Regenbogen-Trans-Fahne mit der Message: We’ll make germany unwoke again!“ in Anspielung auf Donald Trumps auf „We’re going to make America great again“.
Das Thema Wokeness treibt die medizinische Fachangestellte, die nach ihrer Elternzeit eine Ausbildung zur Hundetherapeutin und ein Studium zur Ernährungsberaterin für Kinder und Jugendliche absolvierte, im Landtag an. Dort teilt sie ironisch gegen die Grünen aus: „Der kürzeste Witz der Geschichte: Grünen fordern Kinderschutz.“ Behrendt warnt vor grüner „Pädo-Pädagogik“: Keine Kita brauche Doktorspielräume. „Jungs sind Jungs, Mädchen sind Mädchen! Lassen Sie Kinder einfach Kinder sein!“, sagte sie am 21. Juni im Parlament.
Auf Youtube ist auch ihre Rede zu finden, in der sie die Überlegung angreift, vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen Proteste von sogenannten Lebensschützer*innen zu unterbinden. Am 10. Februar hält sie CDU, SPD und Grünen vor, die „Seelen von Kindern“ in Kitas zu gefährden und dem Kindesmissbrauch nicht entgegenzuwirken. Mit dem Thema erzeugt die AfDlerin große Resonanz. Auf Youtube werden ihre Reden bis zu 150.000-mal aufgerufen.
Auf X ist der politische Zuspruch etwas geringer. Hier kritisiert sie das Selbstbestimmungsgesetz als ideologisches Märchen und bezeichnet die Wokeness „als kuriose Bewegung von psychisch gestörten Menschen“, die ihre perversen Neigungen in der Gesellschaft zu etablieren versuchten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen