Protest gegen Geflüchtetenunterkunft: In Ahlhorn sind sich alle einig
Im niedersächsischen Ahlhorn wehren sich alle von AfD bis Grünen gegen Geflüchtete. Die konkurrieren mit Arbeitsmigranten um Wohnraum und Akzeptanz.
D ie politische Allianz ist groß in der Region. Am vergangenen Samstag folgten dem Aufruf des „Bürgervereins Ahlhorn“ rund 300 Demonstrierende. Die Botschaft aus dem Ortsteil der niedersächsischen Gemeinde Großenkneten war eindeutig: kein Erstaufnahmezentrum auf den früheren Fliegerhorst. „Ein Ort am LIMIT! Es reicht!“, stand auf Plakaten.
Einhellig sprachen sich auf der Bühne der Bürgermeister Thorsten Schmidtke (SPD), die ehemalige Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelütschen (CDU) und der Landtagsabgeordnete Harm Rykena (AfD) gegen die mögliche Unterkunft für Geflüchtete aus. „SPD, CDU und AfD zusammen. Das ist nicht nur höchst fragwürdig, sondern gefährlich“, sagt Joshua Walther von der „Seebrücke Wildeshausen“. Die AfD sei „rechtsextrem“, Rykena sei in Chemnitz mit Rechtsextremen marschiert, so Walther zur taz.
Der Bürgerverein möchte aber nicht als rechter Verein wahrgenommen werden. Seit über 60 Jahren setze der örtliche Zusammenschluss sich für ein „schönes und lebenswertes Ahlhorn“ ein, heißt es auf der Website. Den Vorwurf des Rassismus weist der Vorsitzende Rolf Löschen bei der Kundgebung von sich. Die Gemeinde habe Menschen mit Migrationshintergrund immer offen aufgenommen, viele Freundschaften seien entstanden.
Doch: „Genug ist genug“, zitiert ihn die Kreiszeitung. Der Verein und die lokale Politik sind besorgt über eine mögliche Überlastung der Gemeinde, die den sozialen Frieden stören könne. Eine Zahl über die Höhe des „Migrationsanteils“ befeuert diese Sorgen: Über 70 Prozent der Menschen vor Ort sollen Migrant:innen sein.
Falsche Zahlen über Migrant:innenanteil
Diese Zahl stimme nicht, belegt Walther mit Verweis von Daten der Städtebauförderung. Von 39 Prozent müsse ausgegangen werden. Auf der Kundgebung ging Schmidtke auf diesen Zahlendisput ein. Der Bürgermeister führte aus, dass zwar der Ausländeranteil nicht bei 70 Prozent läge, sondern bei 55. Doch Spätaussiedler aus Russland sowie deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund, aber angeblich wenig Deutschkenntnissen seien mit zu berücksichtigen.
Die Bundesregierung müsse die Kommunen mehr unterstützen, sagte Grotelüschen. Rykena warnte, dass die Zusagen der Landesregierung, dass die Erstaufnahme 600 Menschen aufnehme, nicht eingehalten würde. Sein Auftritt, so Walther, löste keine Kritik aus.
In der Gemeinde im Landkreis Oldenburg besteht schon lange durch die Unterbringung von Erntehelfer.innen und Arbeiter:innen aus der Europäischen Union eine besondere Situation. Viele der Arbeitsmigrant:innen sind in der Ernährungsindustrie tätig, leben im Wohnpark Ahlhorn auf einem ehemaligen Bundeswehrgelände. Seit Sommer dieses Jahres versucht der Eigentümer, den Gebäudekomplex an die Landesregierung zu vermieten. Die dort noch lebenden Menschen sollen auf dem Gelände in Containern untergebracht werden.
In einer schon vor der Kundgebung beschlossen Resolution weisen alle Ratsmitglieder der Gemeinde auf diese Idee hin und warnen, dass sie „ein großes Konfliktpotenzial“ berge – auch weil die Arbeitsmigrant:innen für die schlechtere Unterbringung weiter zahlen müssen, die Geflüchteten aber keine Kosten tragen.
Grüne machen „antikapitalistische“ Motive geltend
Im Rat sitzen CDU, SPD, FDP, AfD und Grüne. Die Zustimmung der Grünen, sagt ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Eduard Hüsers der taz, sei aus einer „antikapitalistischen“ Position erfolgt. Der Besitzer will noch mehr Geld mit dem Gelände einnehmen. Die Ärmsten der Ärmsten beute er aus und spiele sie gegeneinander aus, deutet Hüsers an. Die Zustimmung der AfD sei nicht zu vermeiden gewesen: „Wir können sie ja nicht rausschicken.“ Die Kundgebung hätten die Grünen aber nicht unterstützt.
Die Situation ist für Walther nicht hinnehmbar: „Ich unterstelle, dass es sich bei der Resolution um die erste Kooperation der im Gemeinderat Großenknetens vertretenen, demokratisch agierenden Parteien in Niedersachsen mit der AfD handelt“, sagt er. Das müsse Konsequenzen haben, ebenso der gemeinsame Auftritt mit der AfD auf der Kundgebung, fordert er vom Ministerpräsidenten und SPD-Landesvorsitzenden Stephan Weil.
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