piwik no script img

Andreas Speit Der rechte RandWer rechts in den Landtag einzieht

Andreas Speitarbeitet als freier Jour­nalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Neun Mandate mehr – und damit eine Verdoppelung der Sitze: Für die AfD in Niedersachsen war der Wahlabend am vergangenen Sonntag erfolgreich. Trotz interner Machtkämpfe, durch die die vorherige Landtagsfraktion sogar zerbrochen und der Landesverband kaum mehr handlungsfähig war, erreichte die Partei 10,9 Prozent der Stimmen. 18 Mandate macht das.

Als AfD-Spitzenkandidat Stefan Marzischewski-Drewes im Landtagswahlkampf zwölf Prozent der Stimmen als Ziel ausgerufen hatte, nannte das sogar der Bundesvorsitzende Tino Chrupalla „ambitioniert“. Doch die Krise spielt der AfD in die Karten.

Eine, die vielleicht gar nicht selbst erwartet hatte, in den Landtag zu kommen, hatte einen Grund für das Wahlergebnis parat: Jessica Schülke, die auf Platz 15 der Landesliste angetreten war, versicherte, dass das „Image der Partei 1a“ sei. Auf das hohe Ergebnis im Vergleich zu 2017 – damals waren es 6,2 Prozent – ging sie gegenüber dem NDR aber nicht ein.

Die Sozialpädagogin, die schon Referentin der AfD im Landtag war, erklärte vielmehr, dass sie sich in Zeiten von Inflation und hohen Energiekosten als Opposition für den Mittelstand einsetzen wolle. Und sie betonte gleich, dass sie sich „persönlich“ gegen die Frauenquote und die „ganze Genderideologie“ stark machen werde. Mit Delia Susanne Klages, Fachwirtin im Sozial- und Gesundheitswesen, und Vanessa Behrendt, medizinische Fachangestellte, gehört Schülke zu den drei Frauen der Fraktion.

Von ihnen war das Mandat nur für Klages einigermaßen sicher. Sie war auf Listenplatz 6 angetreten. Klages ist bereits seit 2016 AfD-Vertreterin im Kreistag Hameln-Pyrmont. Bisher sorgten sie Themen wie die Abwanderung junger Leute aus dem ländlichen Raum.

In der neuen Landtagsfraktion, die Marzischewski-Drewes führen wird, sind auch alte Landtagsbekannte. Die Ex-AfD-Landtagsabgeordneten Klaus Wichmann, Peer Lilienthal, Stephan Bothe und Harm Rykena wurden erneut gewählt. Weder als es noch eine Fraktion gab noch hinterher, als Gruppe im Landtag, gelang es den vier Herren, auf landespolitischer Ebene eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen.

Kaum im Landtag, schon wird gegen „Genderideologie“ gewettert

Auch die Ex-Fraktions- und Landesvorsitzende Dana Guth hatte es bei all den Streitereien nicht geschafft, ein politisches Profil zu entwickeln. Der ihr folgende Landeschef Jens Kestner tat es ihr gleich. Die Nähe des ehemaligen Bundestagsabgeordneten zum rechtsextremen Ex-„Flügel“ war der offizielle Grund, dass Guth 2020 Fraktion und Partei verließ. In der neuen Fraktion hat Lilienthal enge Kontakte ins völkische Milieu, sucht die Nähe zum extrem rechten Institut für Staatspolitik.

Doch Streit über die Ausrichtung soll sich nicht wiederholen: Nach der Wahl versicherte Marzischewski-Drewes, dass die AfD auf der „Seite der normalen Menschen“ stehe. Und er versprach, die Fraktion zusammenzuhalten. Seit sechs Jahren führe er die AfD-Fraktion in Gifhorn. Er wisse, wie man Menschen zusammenbringe. Provokationen sind zu erwarten. In Gifhorn schienen die radikalen Positionen des Fraktionschefs schon länger durch das bieder-bürgerliche Image durch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen