Andreas Rüttenauer zu Demonstrationen im Vorfeld der EM: Kicken wie die Gewerkschaft
Man kann das für blöd, für krawallorientiert und für gestrig halten, was da gerade in Frankreich passiert. Das geschieht in neoliberalen Konsensgesellschaften wie der deutschen zur Genüge. Jetzt wird es auch noch für unfair gehalten, weil die angekündigten Streiks und Großdemonstrationen im wahrsten Sinne ins Spiel eingreifen.
Fans, die Karten für die Fußballeuropameisterschaft gekauft haben, könnten es nur bis zum Heimatflughafen schaffen. Und wer sich bis Frankreich durchgeschlagen hat, muss sich durch einen irrwitzigen Sicherheitskordon bis zum Stadion durchkämpfen und kann froh sein, wenn er nicht vorher von einem Demonstrationszug aufgehalten wird. Und ganz schlimm: Vielleicht kann ein Spiel mal nicht zum angesetzten Zeitpunkt angepfiffen werden. Das trifft dann auch die Daheimgebliebenen. Das kalt gestellte Bier muss dann vielleicht ein paar Minuten länger im Kühlschrank bleiben.
Überdrehen die Gewerkschaften hier nicht gewaltig? Oder machen sie vielleicht sogar alles richtig? Die Fußball-EM ist gewiss das größte europäische Event dieses Jahres, eine gewaltige Kontinentalparty, die ihresgleichen sucht.
Wenn es die Protestbewegung schafft, ihr Engagement auch während des Hochsicherheitsturniers aufrechtzuerhalten, dann handelt sie im besten Sinne europäisch. Sie trägt ihre Ideen nach ganz Europa. Sie sorgt dafür, dass sich Frankreich in Europa so präsentiert, wie es ist, und nicht so, wie es die Regierenden gern sehen würden. Und im besten Fall schaffen es die Aktivisten, dass auch in anderen Ländern Europas über das Wirtschaften neu gedacht wird. Ist das wirklich unfair?
Und um das Spiel selbst braucht sich sowieso keiner Sorgen zu machen. Es wird schon gekickt werden in den kommenden vier Wochen. Und Diskussionen über die ästhetischen Vorzüge des Ballbesitzfußballs wird keine Protestbewegung der Welt verhindern können.
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